Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Speicher zu Pferch zu
Koppel, bis ich die alte Kate erreichte. Nachtauge kam mir hechelnd entgegen. Was ist? Weshalb rufst du mich von der Jagd zurück?
Morgen Abend, wenn es dunkel wird. Möglicherweise brauche ich dich. Würdest du hier in der Burg bleiben, um zur Stelle zu sein, wenn es soweit ist?
Natürlich. Aber weshalb hast du mich deshalb gerufen? Du brauchst mir nicht so nahe zu sein, um mich um ei nen einfachen Gefallen zu bitten.
Ich kniete mich hin. Er kam zu mir und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Ich drückte ihn fest an mich.
Dummes Zeug, ließ er mich mit gutmütiger Schroffheit wissen. Geh jetzt. Ich werde hier sein, wenn du mich brauchst.
Meinen Dank.
Mein Bruder.
So schnell und doch so vor sichtig wie mög lich, kehrte ich in die Burg und in mein Zim mer zurück. Ich ver riegelte die Tür und legte mich auf mein Bett. Doch erst wenn alles vorbei und die Flucht gelungen war, würde ich wieder zur Ruhe kommen.
Am späten Vormittag wurde ich zur Königin vorgelassen. Ich hatte eine Anzahl Schriften über Kräuter mitgebracht. Kettricken lag wieder auf der gepolsterten Ruhebank vor dem Kamin und spielte sowohl die trauernde Witwe als auch die ängst liche Mutter. Ich konnte sehen, dass sie darunter litt und dass sie bei dem Sturz mehr Schaden genommen hatte, als sie zugeben wollte. Sie sah kaum besser aus als am Abend vorher, aber ich begrüßte sie wärmstens und machte mich da ran, ihr die Liste der Kräuter vorzulesen, eins nach dem anderen und mit aus führlicher Beschreibung von Schaden und Nutzen eines jeden einzelnen. Die meisten ihrer Hofdamen entfernten sich gelangweilt und die drei letzten, die verblieben waren, erhielten von ihrer Königin den Auftrag, Tee
zu holen, mehr Kissen herbeizuschaffen und nach einer bestimmten Schriftrolle über Heilpflanzen zu su chen, die sich an geblich in Veritas’ Arbeitszimmer befand. Rosemarie war längst in einer warmen Ecke am Kamin eingedöst. Sobald das Rascheln der Röcke sich entfernt hatte, begann ich ihr von dem Plan zu berichten, denn wir würden nicht lange ungestört sein.
»Eure Flucht ist für morgen Nacht geplant, nach Edels Krönungszeremonie.« Ich redete weiter, obwohl sie mehrmals so aussah, als wollte sie mich mit Fragen unterbrechen. »Kleidet Euch warm an und nehmt Wintersachen mit, aber nicht zu viel. Wenn die eigentliche Zeremonie vorbei ist, zieht Euch baldmöglichst zurück. Gebt vor, die Feier und Eure Trauer hätten Euch ermüdet. Entlasst Eure Hofdamen und sagt ihnen, sie sollen nicht wiederkommen, bevor Ihr sie rufen lasst. Verriegelt Eure Tür. Nein, sagt nichts! - Hört nur zu. Wir haben wenig Zeit. Hal tet Euch be reit und wartet in Eurem Zimmer, bis jemand kommen wird, um Euch zu holen. Vertraut dem Narbenmann. Der König geht mit Euch. Vertraut mir.« Schon kehrten die Schritte zurück. »Für alles andere wird gesorgt sein. Habt Vertrauen.«
Vertrauen. Ich selbst wagte nicht darauf zu vertrauen, dass unser Plan ge lingen würde, ich hoffte es nur. Lady Tazette brachte die Kissen, gleich darauf kam der Tee. Wir plauderten angeregt, und eine von den jün geren Frauen versuchte sogar, mit mir anzubandeln. Kettricken bat mich, ihr die Schriftrollen dazulassen. Sie wollte sich an diesem Abend früh zur Ruhe begeben, und die Rollen halfen ihr vielleicht, sich trotz ih rer Rückenschmerzen in den Schlaf zu lesen. Ich verabschiedete mich galant bei dem Damenkränzchen und hastete weiter.
Den Narren wollte Chade übernehmen. Ich hatte getan, was in meinen bescheidenen Kräften stand, um das Unternehmen zu organisieren. Jetzt blieb noch übrig, irgendwie dafür zu sorgen, dass
sich der König nach der Zeremonie allein in seinen Gemächern befand. Ein paar Mi nuten, mehr brauchte er nicht, hatte Chade gesagt. Ich fragte mich, ob ich sie mit dem Leben würde bezahlen müssen. Nicht daran denken. Nur ein paar Mi nuten. Die zwei eingeschlagenen Türen konnten ein Hindernis sein oder eine Hilfe, je nachdem. Ich rief mir all die gängigen Taktiken ins Ge dächtnis. Den Betrunkenen mimen und die Wachen so lange reizen, bis sie der Versuchung nicht mehr widerstehen konnten und auf mich losgingen. Falls ich keine Axt in Reserve hatte, würden sie nicht mehr als ein paar Minuten brauchen, um mit mir fertigzuwerden. Faustkämpfe wa ren ab solut nicht mei ne Stärke. Nein, ich wollte handlungsfähig bleiben. Mir ka men ein Dutzend Ideen, die ich eine nach der anderen verwarf. Es gab zu viele Unwägbarkeiten. Mit wie vielen
Weitere Kostenlose Bücher