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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ganz und gar im Küstenvolk verwurzelt. Listenreichs zweite Gemahlin, Desideria, kam aus Farrow, verfolgte ihren Stammbaum aber zurück bis zu der alten Monarchie von Tilth und wei ter bis zu vagen Verbindungen mit den Weitsehern in einer nebelhaften Vergangenheit. Daraus resultierte ihre oft wiederholte Behauptung, ihr Sohn Edel sei von königlicherem Blut als seine beiden Halbbrüder und hätte deshalb größere Ansprüche auf den Thron.
    Nach dem Verschwinden des Kronprinzen Veritas und Gerüchten von seinem Tod und angesichts der zunehmenden Hinfälligkeit von König Listenreich hatte es für die Küstenprovinzen den Anschein, dass Macht und Titel auf Prinz Edel mit Herkunft aus einem Binnenländerstamm übergehen würden. Sie zogen es vor, ihre Hofnungen auf das ungeborene Kind von Veritas zu setzen, einem Küstenprinzen, und taten,
wie vorherzusehen war, ihr Möglichstes, durch Schulterschlüsse und Suche nach neuen Verbündeten, ei nen eigenen Machtblock zu bilden. Bedroht von räuberischen Korsaren und dem Fluch der Entfremdung war es das einzig Vernünftige, was sie tun konnten.
     
    Die Einsetzungszeremonie des Kronprinzen geriet zu lang. Bereits geraume Zeit vor dem offiziellen Beginn hatten sich die Gäste eingefunden, um es Edel zu ermöglichen, würdevoll durch unsere Reihen zu schreiten und das Podium zu ersteigen, wo ein benommener König Listenreich ihn erwartete. Königin Kettricken, bleich wie eine Wachskerze, stand links von ihm hinter seinem Stuhl. Listenreich war in Gewändern, Pelzkragen und der vollen Pracht der königlichen Juwelen gewandet, aber Kettricken hatte Edels Bitten und Ersuchen widerstanden. Groß und sehr aufrecht stand sie da und trug nur ein schlich tes purpurnes Gewand, das über ihrem sich wölbenden Bauch gegürtet war. Ein schmuckloser Goldreif saß auf dem zum Zei chen der Trauer kurz geschnittenen Haar. Wäre nicht dieses Metallband an ih rer Stirn gewesen, hätte man sie für eine Dienst magd halten können, die hinter dem König stand, um ihm aufzuwarten. Ich wusste, sie betrachtete sich nach der Sitte ihrer Heimat immer noch als Op fer, nicht als Königin. Sie begriff nicht, dass die Strenge ihrer Erscheinung sie in den Augen des Hofstaats wie eine Fremde aus einem barbarischen Land aussehen ließ.
    Der Narr durfte natürlich nicht fehlen, er war in ein abgetragenes schwarz-weißes Gewand seiner Zunft gekleidet und wie immer sah man Rätzel an der Spitze seines Zepters. Er hatte auch sein Gesicht mit schwarzen und weißen Streifen bemalt, und ich fragte mich, ob er damit seine Beulen verstecken wollte, oder weil es einfach zu seinem sonstigen Aufzug passte. Er war einige Zeit vor Edel erschienen und hatte mit offensichtlichem Genuss dessen
Auftritt vorweggenommen, indem er durch die Gasse in der Menschenmenge schritt, jovial mit sei nem Rattenzepter wedelte und zu guter Letzt vor den Versammelten einen tiefen Kratzfuß vollführte, um sich anschließend hochzufrieden neben dem Stuhl des Königs niederzulassen. Einige Wachposten hatten Anstalten gemacht, ihn aufzuhalten, wurden aber von den Gästen behindert, die über den Spaß macher grinsten und die Hälse nach ihm reckten. Als der König sich dann niederbeugte und die dün nen Locken des Narren zauste, ließ man ihn wohl oder übel sitzen, wo er war. Ein Teil der Anwesenden amüsierte sich über das Spektakel, andere runzelten die Stirn, je nachdem, wie hell die Sonne von Edels Gunst den einen oder den anderen beschien. Ich für meinen Teil befürchtete, es würde der letzte Streich des Narren gewesen sein.
    Schon den ganzen Tag hatte die Atmosphäre in der Burg an einen brodelnden Topf erinnert, der kurz vor dem Überkochen stand. Meine Einschätzung von Herzog Brawndy als einem verschwiegenen Mann war falsch gewesen. Viel zu viel Barone und Grafen nickten mir plötzlich zu oder versuchten, mit mir Blicke geheimen Einverständnisses zu tauschen. Edels Spitzeln konnte diese plötzliche Vertrautheit nicht entgehen, deshalb hatte ich mich in mei nem Zimmer aufgehalten, beziehungsweise am frü hen Nachmittag in Ve ritas’ Turm, wo ich mich vergeblich bemühte, ihn mit der Gabe zu er reichen. Ich hatte mich für diesen Ort entschieden, weil ich hoffte, die Umgebung würde mir helfen, die Erinnerung an ihn heraufzubeschwören, doch weit gefehlt. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich schleichende Schritte vor der Tür erwartete oder nach Zeichen von Justins oder Serenes Gegenwart in meinem Kopf sinnte.
    Nachdem

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