Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
schwankte. Dann kam ihm mein Aussehen zu Bewusstsein, und für einen Moment wurden seine Züge starr. Unsere Blicke trafen sich, und ich hatte das Gefühl, dass so etwas wie ein letztes Verständnis und ein endgültiger Abschied zwischen uns hin- und herging. Dann beugte er sich zu rück und spuckte mir mitten ins Gesicht.
»Da hast du!«, knirschte er. »Das ist für mein Leben, das du mir gestohlen hast. Die Stunden, die Tage, die ich an dich vergeudet habe. Hättest du dich doch hingelegt und wärst zwischen den Tieren krepiert, statt so zu enden. Sie werden dich hängen, Junge. Edel lässt den Galgen errichten, über dem Wasser, wie der alte Volksglauben vorschreibt. Sie werden dich hängen, dann in Stü cke schneiden und zu Asche verbrennen. Nichts soll von dir übrig bleiben, das die Hunde vielleicht wieder aus der Erde scharren könnten. Das wäre nach dei nem Geschmack, nicht wahr, Junge? In der Erde liegen wie ein Kno chen, den die Hunde ausgraben. Besser du legst dich hin und stirbst gleich hier an Ort und Stelle.«
Ich war zurückgezuckt, als er mich anspuckte. Jetzt stand ich schwankend mitten in der Zelle, während er die Gitterstäbe umklammerte und mich anstierte. In seinen vom Rausch ganz glasigen Augen stand der Irrsinn geschrieben.
»Du hast es doch so mit der alten Macht, sagt man. Weshalb verwandelst du dich nicht in eine Ratte und husch, husch weg
von hier? Na?« Er lehnte die Stirn gegen die Stäbe und spähte zu mir herein. Beinahe schwermütig fügte er hinzu: »Besser das, als aufgehängt zu werden. Na, wie wäre das, Welpe? Verwandle dich einfach in ein Tier und mach dich mit eingekniffenem Schwanz davon. Angeblich kannst du dich in einen Wolf verwandeln. Na hoffentlich, denn sonst wirst du hängen. Mit ei nem Strick um den Hals in der Luft mit dem Tod tanzen und so lange zappeln, bis dein Gesicht schwarz wird …« Sein wässriger Blick suchte den meinen. »Lieber gleich hier sterben, als zu hängen.« Plötzlich schien die Wut ihn zu übermannen. »Vielleicht helfe ich dir dabei, hier zu sterben!«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Besser, du stirbst auf mei ne Art als auf Edels.« Er rüttelte an der Tür, als wollte er sie aus den Angeln reißen.
Sofort waren die Wachen zur Stelle, packten seine Arme und fluchten, während er ihnen nicht die geringste Beachtung schenkte. Blade sprang hinter ihnen auf und ab und sagte: »Lass gut sein, komm jetzt, Burrich. Du hast es ihm gesagt, jetzt komm, bevor es wirklich schlimm für uns wird.«
Es gelang ihnen nicht, ihn von der Tür wegzureißen. Doch er gab plötzlich auf und ließ seine Arme sinken. Die Wachen hatten damit nicht ge rechnet und stolperten beide zu rück. Ich trat an das vergitterte Fensterchen.
»Burrich«, es fiel mir schwer, mit den ge schwollenen Lippen die Worte zu formen, »ich habe dir nie Schmerz zufügen wollen. Es tut mir leid.« Ich suchte nach Worten, um die Qual in seinen Augen zu lindern. »Niemand sollte dir die Schuld zuschieben. Du hast dir mit mir immer die größte Mühe gegeben.«
Er schüttelte den Kopf, Gram und Verbitterung verzerrten sein Gesicht. »Leg dich hin und stirb, Junge. Leg dich einfach hin und stirb.« Damit wandte er sich ab und torkelte schwerfällig zum Ausgang. Blade folgte ihm im Rückwärtsgang und entschuldigte
sich tausendmal bei den ratlosen Wärtern, die offenbar heilfroh waren, dass die ungebetenen Besucher freiwillig das Feld räumten. Ich schaute ihnen nach und sah, wie Burrichs Schatten sich entfernte, während Blade sich noch etwas Zeit nahm, um die Wogen zu glätten.
Ich wischte mir den Speichel von dem verquollenen Gesicht und kehrte langsam zu mei ner Steinbank zurück. Dort saß ich lange einfach nur da und hing meinen Erinnerungen nach. Von Anfang an hatte er mich vor der alten Macht gewarnt. Den ersten Hund, dem ich mich verschwistert hatte, hatte er mir brutal entrissen. Ich hatte mit ihm da mals unter Einsatz all mei ner Kräfte um meinen Freund gekämpft, hatte mich mit allen Sinnen gegen ihn gestemmt und hatte erleben müssen, sie er den geistigen Rammstoß einfach an sich ab- und zu mir zu rückprallen ließ. Und das mit einer solchen Wucht, dass ich jahrelang nicht mehr versuchte, diese Waffe der alten Macht gegen je manden zu gebrauchen. Und als er Jahre später einlenkte, über meinen Bund mit dem Wolf hinwegsah, selbst wenn er ihn auch nicht ak zeptierte, da kam es ihn teuer zu stehen. Die alte Macht. All die Male, die er mich davor
Weitere Kostenlose Bücher