Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
war nicht viel älter als ich und allein in der Fremde. Statt ihr Vorhaltungen zu machen, hätte ich mich mit Chade besprechen sollen, damit er jemanden auswählte, der sie unauffällig lenkte. Oder hatte er bereits jemanden ausgewählt? Mich? Mit einem nervösen Lächeln versuchte ich sie zu warnen. Sie folgte meinem Blick zu den Hofdamen, und sogleich gewann sie ihre Haltung zurück. Ich beobachtete es mit Stolz.
»Was rätst du mir?«, fragte sie ruhig.
»Zuerst möchte ich sagen, dass ich mich schäme, mit meiner Königin in diesem Ton gesprochen zu haben. Ich bitte um ihre Vergebung. Dann aber möchte ich ihr raten, diesen beiden getreuen Hofdamen ein Zeichen ihres besonderen Wohlwollens zu geben, um sie für ihr Pflichtbewusstsein zu belohnen.«
Sie nickte verständnisvoll. »Und dieses Zeichen könnte sein?«
»Vielleicht die Einladung zu ei ner privaten Zusammenkunft mit ihrer Königin in deren persönlichen Gemächern, um sich von einem besonderen Sänger oder Puppenspieler unterhalten zu lassen.
Es kommt nicht da rauf an, wel che Art der Unterhaltung bei dieser Einladung geboten wird. Wichtig ist, dass die anderen, die Euch nicht aufrichtig dienen, ausgeschlossen bleiben.«
»Das klingt wie etwas, das Edel tun würde.«
»Mag sein. Er ist sehr ge schickt darin, sich ein Ge folge aus Speichelleckern und Anhängern zu schaffen. Doch seine Beweggründe wä ren in welchem Fall auch im mer kleinliche Rachegelüste und der Wunsch, jene zu bestrafen, die nicht nach seiner Pfeife tanzen.«
»Und meine Beweggründe wären?«
»Ihr, Hoheit, Ihr wollt jene be lohnen, die Euch treu ergeben sind, und habt Freude an der Gesellschaft von Menschen, die diese Sympathie erwidern, die Ihr ihnen entgegenbringt.«
»Ich verstehe. Und der Sänger?«
»Samten. Er hat eine besonders galante Art, für jede Dame im Raum zu singen.«
»Wirst du nachfragen, ob er heute Abend frei ist?«
»Hoheit«, ich musste lächeln. »Ihr seid die Thronfolgerin. Ihr braucht nur zu befehlen. Für ihn ist es eine Auszeichnung, vor Euch singen zu dürfen. Er wird niemals zu beschäftigt sein, um eine Einladung von Euch auszuschlagen.«
Sie seufzte erneut, doch we niger tief, und ent ließ mich dann mit einem Nicken, während sie freundlich auf ihre Hofdamen zutrat und darum bat, ihre Geistesabwesenheit an diesem Vormittag zu entschuldigen. Dann sprach sie die Ein ladung zu ei nem Abend in ihren Privatgemächern aus. Ich sah, wie die Frauen verstohlen lächelnd Blicke tauschten, und ich wusste, wir hatten richtig gehandelt. Lady Hoffensfroh und Lady Modeste - ich merkte mir die Namen. Als ich unter Verbeugungen das Zimmer verließ, achtete man kaum noch auf mich.
So wurde ich Kettrickens Ratgeber, auch wenn mir die Rolle
nicht gefiel. - Ich sollte ihr Gesellschafter und Lehrer sein, die Flüsterstimme, die ihr sagte, welche Schritte sie als Nächste auf dem glatten Parkett tanzen musste. Um ehrlich zu sein, es war eine unangenehme Aufgabe. Ich hatte das Gefühl, dass ich sie durch meine Kritik herabsetzte, dass ich sie korrumpierte, indem ich sie lehrte, sich wie eine Spin ne im Netz des hö fischen Machtgefüges zu bewegen. Sie hatte Recht. Das alles waren Edels Tricks. Und mochte sie die besten Absichten haben, meine Pläne waren selbstsüchtig genug für uns beide. Ich wollte, dass sie an Ein fluss und an Verbündeten gewann, womit Veritas ein Fundament geschaffen wurde, auf das er bauen konnte, ob schon jetzt als Thronfolger oder später als König.
Regelmäßig frühabends hatte ich bei Prinzessin Philia meine Aufwartung zu machen. Sowohl sie als auch Lacey nahmen diese Besuche sehr ernst. Philia glaubte unerschütterlich, nach Belieben über mich verfügen zu können, als wäre ich noch ihr Page, und sie dachte sich zum Beispiel auch nichts dabei, von mir zu verlangen, den Text einer alten Schriftrolle auf ihr kostbares Schilfpapier zu übertragen, oder da rauf zu bestehen, dass ich ihr vorführte, welche Fortschritte ich beim Spiel auf den Meerpfeifen gemacht hatte. Jedes Mal stellte sie mich zur Rede, weil ich auf diesem Gebiet nicht genügend Ehrgeiz an den Tag legte. Dann folgte eine Stunde Unterweisung, wobei sie nichts anderes bewirkte, als mich völlig aus dem Konzept zu bringen. Ich be mühte mich, ge fügig und höflich zu sein, obwohl ich beiden Frauen verübelte, dass sie sich verschworen hatten, mich nicht mit Molly reden zu lassen. Philias Vorgehensweise war klug, aber Klugheit ist kein Mittel gegen Einsamkeit.
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