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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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aufzurichten, denen das Haus über den Köpfen abgebrannt war. Glaubst du, ein OPFER wäre nicht in der Lage, einen bösartigen alten Bären zu jagen, der sich da rauf verlegt hat, Ziegen zu schlagen, oder mit an einem Tau zu ziehen, um eine vom Schmelzwasser bedrohte Brücke zu be festigen?« Als sie mich ansah, stand ihr unverhohlener Schmerz in den Augen.
    »Hier in Bocksburg achten wir darauf, das Leben unserer Königinnen nicht in Ge fahr zu bringen«, entgegnete ich. »Andere Hände können ein Tau halten, wir haben Dutzende von Jägern, die um die Ehre streiten würden, einen Viehmörder zu töten. Doch wir haben nur eine Königin, und es gibt Din ge, die nur sie tun kann, kein anderer.«
    Bei den Hofdamen auf der gepolsterten Bank waren wir so gut wie in Vergessenheit geraten. Ein Page hatte süße Kuchen und frisch gebrühten Tee gebracht. Sie plauderten und wärmten sich die Hände an den Tassen. Ich musterte sie, um mir einzuprägen, welche Frauen es ernst genommen hatten mit dem Dienst bei ihrer Königin - was womöglich nicht immer das reine Vergnügen war, wie mir all mählich klar wurde. Die kleine Rosemarie saß mit einem Kuchen in der Hand beim Teetisch auf dem Boden und träumte vor sich hin. In mir erwachte der Wunsch, auch wieder acht Jahre alt zu sein und mich zu ihr gesellen zu können.
    »Ich weiß, wovon du sprichst«, sagte Kettricken offen. »Ich bin hier, um Veritas einen Erben zu schenken, eine Aufgabe, der ich mich nicht entziehen will, denn ich sehe es nicht als Pflicht an, sondern als Freude. Nur weiß ich nicht, ob mein Gemahl ebenso
denkt. Immer halten ihn sei ne Pflichten fern. Auch heute ist er dort unten und sieht zu, wie seine Schiffe Gestalt annehmen. Könnte ich ihn nicht begleiten, ohne mich in Ge fahr zu bringen? Wenn nur ich seinen Erben empfangen kann, kann auch nur er ihn zeugen. Wes halb muss ich hier untätig sitzen, während er sich aufreibt, um unser Volk zu beschützen? Dabei sollte ich ihm zur Seite stehen, als das OPFER der Sechs Provinzen.«
    Auch wenn ich mich während meines Aufenthalts dort an die freimütige Art der Bergbewohner gewöhnt hatte, schockierte mich, wie sie die Dinge beim Namen nannte. Vielleicht deshalb war ich bei meiner Antwort etwas zu geradeheraus. Ich stand auf, beugte mich an ihr vorbei aus dem Fenster, um die Läden zu schließen, und nutzte die Gelegenheit, um ihr leise zuzuflüstern: »Wenn Ihr glaubt, das es sich dabei um die einzige Pflicht unserer Königinnen handelt, befindet Ihr Euch im Irrtum, Hoheit. Um so offen zu sprechen, wie Ihr es getan habt, Ihr versäumt Eure Pflichten gegenüber Euren Hofdamen, die nur gekommen sind, um Euch Gesellschaft zu leisten und mit Euch zu plau dern. Denkt nach. Könnten sie nicht dieselbe Näharbeit in der Behaglichkeit ihrer eigenen Gemächer verrichten oder bei Mistress Hurtig? Ihr verzehrt Euch nach einer Beschäftigung, die Euch als sinnvoll erscheint, doch Ihr könnt etwas tun, wozu der König selbst nicht imstande ist. Erfüllt den Hof von Bocksburg wieder mit Leben. Macht ihn zu einem glanzvollen Anziehungspunkt. Der Adel soll sich da nach drängen, vor dem Angesicht des Thronfolgers erscheinen zu dürfen. Man soll es als Auszeichnung betrachten, ihn bei sei nen Unternehmungen zu unterstützen. Es ist lange her, da eine wirkliche Königin in dieser Burg herrschte. Statt auf ein Schiff hinunterzublicken, dessen Bau in fähigeren Händen liegt, widmet Euch der Aufgabe, die Euch angemessen ist, und bemüht Euch, sie zu erfüllen.«
    Ich zog den Gobelin zurecht, der vor den geschlossenen Läden
half, den eisigen Wind der Stürme abzuhalten. Dann trat ich zurück und sah der Königin ins Gesicht. Zu meiner Bestürzung wirkte sie so zerknirscht wie eine gescholtene Magd. Tränen standen in ihren hellblauen Augen, und ihre Wangen waren so rot, als hätte ich sie geschlagen. Besorgt schaute ich zu ih ren Hofdamen, die jedoch dem Anschein nach genügend Gesprächsstoff hatten, um vollauf mit sich beschäftigt zu sein. Rosemarie bohrte, im Gefühl unbeobachtet zu sein, vorsichtig den Zeigefinger in die Törtchen, um zu prüfen, womit sie gefüllt waren. Niemand schien Notiz von uns zu neh men, doch ich hatte schnell ge lernt, wie geschickt Hofdamen darin waren, sich zu verstellen, und fürchtete, sie könnten insgeheim Vermutungen anstellen, was der Bastard zu der Kronprinzessin gesagt haben mochte, so dass sie weinen musste.
    Ich verfluchte mein Un geschick. Mochte Kettricken auch größer sein, sie

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