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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dass die angeborene Verspieltheit des Welpen wieder hervorbrach. Sobald ich die Tür öffnete, sprang er mich übermütig an, oder er zeigte seine Freude über mitgebrachte Knochen, indem er sich wonnevoll knurrend darin verbiss und sie hin und her schüttelte wie eine Beu te. Wenn ich ihn dann ausschimpfte, weil er zu laut gewesen war oder wegen der Spuren, die seinen nächtlichen Ausflug auf die verschneite Wiese hinter der Kate verrieten, duckte er sich vor meinem Unmut.
    Doch ich bemerkte bei diesen Gelegenheiten sehr wohl die lauernde Wildheit in seinen Augen. Er hatte sich nicht unterworfen, sondern beugte sich vorläufig nur dem Rudelführer, bis zu dem Tag, an dem er dann so frei war, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Für mich war das eine schmerzliche Erkenntnis, auch wenn der Verstand mir sagte, dass es richtig so war. Ich hatte von Anfang an die feste Absicht gehabt, ihn in die Freiheit zu entlassen. In ein paar Monaten sollte er nur einer von den namenlosen Wölfen sein, die in der Ferne den Mond anheulten. Das sagte ich ihm immer wieder. Zuerst verlangte er zu wissen, wann er die
nach Mensch riechende Behausung und den hohen Ring aus Steinen, der sie umgab, verlassen durfte. Bald, versprach ich ihm, sobald er sei ne Kraft zu rückgewonnen hatte, sobald der Schnee nicht mehr so hoch lag und er für sich selbst sorgen konnte. Doch sowie die Wochen vergingen, die Stürme draußen ihm die Geborgenheit seines Strohlagers bewusst machten und das gute Fleisch seine Knochen polsterte, fragte er weniger oft. Manchmal vergaß ich auch, ihn daran zu erinnern.
    Einsamkeit zehrte an mir. Nachtsüber lag ich wach und fragte mich, was geschehen würde, wenn ich die Treppe hinaufschlich und an Mollys Tür klopfte. Tagsüber musste ich mich beherrschen, um aus reiner Einsamkeit nicht eine zu enge Bindung mit dem Tier einzugehen, für das ich die Verantwortung trug. Es gab in der Burg nur ein einziges Lebewesen, das so einsam war wie ich.
     
    »Ich bin sicher, du wüsstest Besseres zu tun. Wes halb kommst du jeden Tag, um mich zu besuchen?«, fragte Kettricken mich in der unverblümten Art der Bergbewohner. Es war später Vormittag, nach einer sturmdurchtosten Nacht. Schnee fiel, und Kettricken hatte befohlen, die Fensterläden zu öffnen, damit sie dem lautlosen Herabsinken der di cken Flocken zusehen konnte. Ihr Nähzimmer bot einen ungehinderten Ausblick über das Meer, und ich glaubte, sie wäre fasziniert von der endlosen Weite und dem ru helosen Auf und Ab der Wellen. Ihre Augen hatten an je nem Tag fast dieselbe Farbe wie das Wasser.
    »Ich möchte helfen, Euch die Zeit zu vertreiben, Hoheit.«
    »Die Zeit vertreiben.« Sie seufzte, stützte das Kinn auf die Hand und schaute sinnend in das Schneetreiben hinaus. Der Wind spielte in ihrem flächsernen Haar. »Eure Sprache ist doch seltsam. Ihr redet von der Zeit, als wäre sie ein Übel, von dem man sich befreien müsste. Wie von Blähungen.«

    Ihre kleine Zofe Rosemarie, die ihr zu Füßen saß, ki cherte hinter vorgehaltener Hand. Die zwei Hofdamen hinter uns lachten zwitschernd und beugten dann wieder die Köpfe über ihre Nadelarbeit. Kettricken hatte für sich einen großen Stickrahmen aufgestellt, worauf die An fänge einer Bergkette und ei nem Wasserfall erkennbar waren, aber die Arbeit war noch nicht weit fortgeschritten. Die übrigen Frauen waren heute nicht erschienen, sondern hatten Pagen geschickt, um sich zumeist mit Kopfschmerzen entschuldigen zu lassen. Es schien sich um eine wah re Epidemie zu handeln. Kettricken begriff offenbar nicht, dass man sie mit diesem Verhalten beleidigte. Ich wusste nicht, wie ich es ihr erklären konnte, und an manchen Tagen fragte ich mich, ob ich es erklären sollte. Heute war einer dieser Tage.
    Ich setzte mich bequemer hin und schlug ein Bein über das andere. »Ich wollte damit nur sagen, dass Bocksburg im Winter ein ziemlich langweiliger Ort sein kann. Das Wetter hält uns hinter den Mauern fest, und es gibt wenig Zerstreuung.«
    »Auf der Werft herrscht kein Mangel an Zerstreuung«, wandte sie ein. Ihre Augen bekamen einen merkwürdig hungrigen Blick. »Dort herrscht emsige Geschäftigkeit. Bis zum Letzten wird das Tageslicht ausgenutzt, um die Spanten zu setzen und die Planken zu biegen. Auch an dunklen Tagen oder bei Sturm sind die Schiffsbauer in den Schuppen damit beschäftigt, Holz zu sägen, zu behauen und zu glätten. An den Schmiedefeuern entstehen Ketten und Anker. Starke Leinwand für die Segel

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