Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Zeichen, die daraufhin lautlos und wie geisterhafte Gestalten ausschwärmten. Einige liefen zu den Pferden, die an Pflöcken festgemacht waren, und mit eigenen Ohren hörte ich verstohlene Schritte vor dem Zelt, in dem ich gefesselt lag. Die Fremden bewegten sich weiter um das Lager. Nachtauge witterte jetzt den Gestank von brennendem Pech. Im nächsten Augenblick zogen zwei Pfeile eine Flammenspur durch die Nacht und schlugen in Burls Zelt ein. Gleich darauf erhob sich ein großes Geschrei. Als schlaftrunkene Soldaten aus den Zelten stürzten und auf die Brandstelle zuliefen, ließen die Bogenschützen am Hang einen Hagel von Pfeilen auf sie niedergehen.
Burl stolperte halbnackt und nur in Decken gehüllt aus seinem brennenden Zelt und brüllte Befehle. »Sie wollen den Bastard, ihr Narren! Verteidigt ihn mit eurem Leben!« Dann schlitterte ein Pfeil neben ihm über den gefrorenen Boden. Er schrie auf und warf sich hinter einem Versorgungswagen flach auf den Bauch. Kaum einen Atemzug später bohrten sich zwei Pfeile in das Seitenbrett des Wagens.
Beim ersten Anzeichen des Aufruhrs sprangen die Männer in meinem Zelt auf. Ich hatte sie nicht weiter beachtet und die Ereignisse nur durch die Augen meines Wolfs verfolgt, doch als der Feldwebel ins Zelt stürmte, lautete sein erster Befehl: »Schafft ihn nach draußen, bevor sie das Zelt in Brand setzen! Haltet ihn unten! Und wenn sie kommen, um ihn zu befreien, schneidet ihm die Kehle durch!«
Seinen Anordnungen wurde gleich und buchstäblich Folge geleistet. Ein Mann kniete auf meinem Rücken und hielt den blanken Dolch an meinen Hals. Sechs weitere Soldaten bildeten einen Kreis um uns. Überall in der Dunkelheit schrien Menschen in Panik und liefen wild durcheinander. Es gab erneut einen großen Aufschrei, als ein zweites Zelt in Flammen aufging, während Burls Zelt schon munter brannte und diesen Teil des Lagers hell erleuchtete. Zaghaft versuchte ich, den Kopf zu heben, um zu sehen, was vor sich ging, doch der junge Soldat auf meinem Rücken drückte mein Gesicht wieder auf den Boden. Ich fand mich ab mit dem schmutzigen Eis und schaute wieder durch die Augen des Wolfs.
Wären die Soldaten nicht so blind entschlossen gewesen, mich zu bewachen und Burl zu beschützen, hätten sie vielleicht bemerkt, dass dieser Überfall weder ihm noch mir galt. Während Burl und seine Umgebung mit Pfeilen überschüttet wurden, befreiten am dunklen Ende des Lagers die lautlosen Eindringlinge die Schmuggler, die Pilger und die Reittiere. Nachtauges nachtscharfer Blick hatte mir gezeigt, dass der Schütze, der Burls Zelt in Brand geschossen hatte, Nik wie einem Bruder ähnelte. Die Schmuggler waren gekommen, um die Ihren zu befreien. So rieselten die Gefangenen von allen unbemerkt aus dem Lager wie Mehl aus einem Loch im Sack.
Burl hatte mit der Einschätzung seiner Truppen recht behalten. Mehr als nur ein Soldat wartete die Kampfhandlungen im Schutz eines Wagens oder Zeltes ab. Wahrscheinlich verstanden sie durchaus zu kämpfen, wenn es hart auf hart kam; aber keiner fühlte sich hier berufen, etwa einen Ausfall gegen die Bogenschützen an der Bergflanke zu führen. Ich vermutete zudem, dass Hauptmann Mark nicht der Einzige gewesen war, der eine Abmachung mit den Schmugglern gehabt hatte. Den Versuchen der Soldaten, den Beschuss zu erwidern, war nur geringer Erfolg beschieden, weil die lichterloh brennenden Zelte im Lager es ihnen unmöglich machten, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Sie selbst hingegen boten vor dem hellen Hintergrund bei jeder Gegenwehr ein kaum zu verfehlendes Ziel.
In erstaunlich kurzer Zeit war alles vorbei. Die Bogenschützen hielten uns weiterhin mit Pfeilen in Schach und beschäftigten die Soldaten, während ihre Komplizen sich mit den befreiten Gefangenen davonmachten. Als der Pfeilhagel dann schlagartig aufhörte, brüllte Burl sofort nach seinem Feldwebel und wollte wissen, ob ich entkommen wäre. Der Feldwebel warf seinen Männern einen warnenden Blick zu und erwiderte, dass man die Angreifer erfolgreich von mir ferngehalten hätte.
Der Rest der Nacht gestaltete sich ziemlich unerfreulich. Die meiste Zeit lag ich auf der kalten Erde, während ein nur spärlich bekleideter Burl fluchend und schimpfend um mich herummarschierte. Mit dem Zelt war auch der größte Teil seiner persönlichen Ausrüstung in Flammen aufgegangen.
Darüber hinaus waren drei weitere Zelte verbrannt, und außer den Reittieren der Schmuggler, war auch Burls Pferd gestohlen
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