Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
und mich an. Sie schüttelte ihren Wanderstab, und es schien mir fast so, als hätte sie uns am liebsten vor sich hergetrieben wie verirrte Schafe.
An diesem Abend verließen der Narr und ich den Schutz der Jurte und gingen mit Nachtauge auf die Pirsch. Sowohl Krähe als auch Kettricken äußerten Bedenken, doch ich hatte ihnen versichert, ich würde alle gebotene Vorsicht walten lassen. Der Narr hatte versprochen, auf mich aufzupassen, wozu Krähe nur die Augen verdrehte, aber im Weiteren schwieg, so als wäre bei uns ohnehin Hopfen und Malz verloren. Dennoch ließ man uns gehen. Merle war sauer und hüllte sich in Schweigen, aber da ich mir keiner Schuld bewusst war, nahm ich an, ihre schlechte Laune hätte andere Gründe. Als wir uns aufmachten, flüsterte Kettricken uns hinterher: »Achte auf sie, Wolf«, und Nachtauge antwortete mit einem Schwanzwedeln.
Dann führte er uns schnell weg von der grasbewachsenen Straße und hinauf in die bewaldeten Hügel. Wir befanden uns mittlerweile in der geschützteren Region der Gebirgsausläufer. Die Wälder, durch die wir uns bewegten, waren lichte Eichenhaine, unterbrochen von weiten Wiesen. Ich entdeckte Wildschweinfährten und war heilfroh, dass wir keine zu Gesicht bekamen. Der Wolf jagte und tötete zwei Kaninchen und gestattete mir großzügig, sie zu tragen. Als wir auf einem Umweg zum Lagerplatz zurückkehrten, stießen wir auf einen Bach. Sein Wasser war eisig und süß, seine Ufer üppig mit Kresse bewachsen. Der Narr und ich wetteiferten im Fischegreifen, bis unsere Arme ganz taub von der Kälte waren. Mein letzter Fisch zappelte so heftig, dass er den begeisterten Wolf nass spritzte. Nachtauge machte einen Satz nach hinten und schnappte zur Strafe nach mir, woraufhin der Narr eine Handvoll Wasser nach ihm schwappte. Mit offenem Maul sprang Nachtauge hoch, um es zu fangen. Bevor wir uns versahen, waren wir alle drei damit beschäftigt, uns gegenseitig nass zu spritzen. Ich fiel als Einziger der Länge nach in den Bach, nachdem mich der Wolf angesprungen und damit hineingestoßen hatte. Beide, der Narr und Nachtauge amüsierten sich prächtig, als sie sahen, wie ich vor Wasser triefend dem Bach entstieg, und ich stimmte in ihr Gelächter ein. Wie lange war es her, seit ich von Herzen über einen unschuldigen Anlass wie diesen hatte lachen können. Wir kehrten spät ins Lager zurück, dafür brachten wir aber frisches Fleisch, Fisch und Wasserkresse mit.
Vor der Jurte brannte ein kleines Willkommensfeuer. Hafergrütze wartete auf uns; aber Krähe erklärte sich freiwillig bereit, zu Ehren unserer Jagdbeute ihre wahren Kochkünste unter Beweis zu stellen. Während sie damit beschäftigt war, starrte Merle mich an, bis ich schließlich fragte: »Was ist?«
»Wie seid ihr alle so nass geworden?«
»Ach so. An dem Bach, aus dem wir die Fische haben. Nachtauge hat mich hineingestoßen.«
»Und der Narr ist auch hineingefallen?«
»Wir haben uns gegenseitig mit Wasser bespritzt«, gestand ich verlegen. Ich lächelte sie an, aber sie verzog keine Miene, sondern schnaubte mich nur geringschätzig an. Auch gut. Ich zuckte die Schultern und trat in die Jurte. Kettricken hob den Kopf von ihrer Karte, schwieg jedoch. Ich durchforstete meinen Packen und fand Kleidungsstücke, die trocken waren, wenn auch nicht sauber. Kettricken hatte mir den Rücken zugewandt, deshalb zog ich mich rasch um; auf der langen Reise hatten wir uns daran gewöhnt, in dieser Weise die Privatsphäre des anderen zu respektieren.
»FitzChivalric«, sagte sie plötzlich in einem Ton, der meine Aufmerksamkeit verlangte.
Ich streifte das Hemd über den Kopf und knöpfte es zu. »Ja, Majestät?« Ich kniete neben ihr nieder, weil ich dachte, sie wollte mit mir über unsere nächste Etappe sprechen, aber sie legte die Karte beiseite und wandte sich mir zu. Ihre blauen Augen hielten meinen Blick fest.
»Wir sind eine kleine Gemeinschaft, in der einer auf den anderen angewiesen ist«, begann sie ohne Einleitung. »Jede Unstimmigkeit zwischen uns dient den Absichten des Feindes.«
Ich wartete, aber sie sprach nicht weiter. »Ich weiß nicht, weshalb Ihr mir das sagt«, erklärte ich schließlich.
Kettricken schüttelte seufzend den Kopf. »Das habe ich befürchtet. Und wahrscheinlich schadet es mehr, als es nützt, wenn ich darüber spreche. Merle leidet unter der Aufmerksamkeit, die du dem Narren widmest.«
Ich war sprachlos. Kettricken durchbohrte mich mit ihrem eisblauen Blick, dann schaute sie
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