Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
sogar einmal ein größerer Ort gewesen sein.«
    Durchaus. Falls diese Straße der Handelsweg war, den ich in meiner Vision gesehen hatte, entsprach es der natürlichen Entwicklung, dass an jeder Kreuzung aus wahrscheinlich kleinen Anfängen ein Weiler oder ein Marktflecken entstanden war. Ich konnte mir das Treiben an einem hellen Frühlingstag vorstellen, wenn die Bauern frische Eier und Gemüse zum Markt brachten. Die Weber hängten ihre neuen Waren aus, um Käufer in Versuchung zu führen, und...
    Schon im nächsten Augenblick wimmelte es an dem Platz um den Pfeiler vor lauter Menschen. Die Vision begann und endete am Rand der Pflastersteine. Nur im Wirkungskreis des schwarzen Pfeilers lachten Menschen und gestikulierten und feilschten. Ein Mädchen, die einen aus Ranken gewundenen Kranz als Krone trug, ging durch die Menge und blickte über die Schulter zu jemandem zurück. Ich schwöre, sie schaute mir genau in die Augen und zwinkerte mir zu. Dann glaubte ich, meinen Namen rufen zu hören, und blickte mich um. Auf einer Empore stand eine Gestalt in fließenden Gewändern, die mit schimmernden Goldfäden durchwoben waren. Auf dem Kopf trug sie eine vergoldete, hölzerne Krone, die mit kunstvoll geschnitzten und bemalten Hahnenköpfen und Schwanzfedern verziert war. In der Hand hielt die Gestalt ein Zepter, das aussah wie ein Federwisch, doch sie führte es mit königlicher Gebärde, während sie der Menge irgendein Dekret verkündete. Die Menschen auf dem Platz grölten vor Lachen. Ich starrte wie gebannt auf die schneeweiße Haut und die farblosen Augen der Gestalt. Sie wiederum schaute mir direkt ins Gesicht.
    Merle gab mir eine Maulschelle von solcher Güte, dass mir der Kopf in den Nacken flog. Ich sah sie verdutzt an und schmeckte Blut in meinem Mund, wo ein Zahn die Wange innen aufgerissen hatte. Sie hob wieder die geballte Faust, und ich begriff, dass es keine Maulschelle gewesen war. Schnell wich ich seitlich nach hinten aus und hielt dann ihr Handgelenk fest, als der Schlag an meinem Kopf vorbei ins Leere ging. »Hör auf damit!«, schrie ich wütend.
    »Du hör auf!«, stieß sie hervor. »Und sorg dafür, dass sie auch aufhört!« Sie wies zornig auf den schwarzen Block, wo der Narr in der kunstvollen Pose einer Statue erstarrt war. Er atmete nicht; er zuckte nicht einmal mit der Wimper; aber dann kippte er vor meinen Augen von seinem Podest wie ein Stein.
    Ich erwartete, dass er mitten im Fall einen Salto schlug und lachend auf den Füßen landete, wie so oft, wenn er mit seinen Kapriolen den Hof in Bocksburg entzückt hatte; doch er stürzte der Länge nach ins Gras und rührte sich nicht.
    Einen Augenblick stand ich da wie angewurzelt, dann sprang ich an seine Seite. Ich schob ihm die Hände unter die Achseln und zerrte ihn weg von dem schwarzen Kreis und von dem schwarzen Stein, auf dem er gestanden hatte. Ein Impuls bewog mich, ihn in den Schatten zu schleifen und mit dem Rücken an den Stamm einer Eiche zu lehnen.
    »Hol Wasser!«, fuhr ich Merle an. Sie warf sich herum und lief zu den beladenen Jeppas.
    Ich legte die Fingerspitzen an die Kehle des Narren und fühlte den gleichmäßigen Pulsschlag. Seine Augen waren nur halb geschlossen. Er lag da wie vom Blitz getroffen. Ich rief seinen Namen und tätschelte seine Wange, bis Merle mit dem Wasserschlauch kam. Ich ließ das kalte Wasser über sein Gesicht fließen. Erst geschah nichts, dann japste er, stieß prustend Wasser aus und setzte sich mit einem Ruck auf. Seine Augen waren leer. Unsere Blicke begegneten sich, und er grinste breit. »Was für ein Gedränge und was für ein Tag! Es war die Verkündung von Realders Drachen, und er hatte versprochen, mit mir...« Plötzlich runzelte er die Stirn und schaute sich ratlos um. »Alles verblasst, es verblasst wie ein Traum und lässt kaum einen Schatten der Erinnerung zurück...«
    Auf einmal waren auch Krähe und Kettricken bei uns. Merle plauderte aus, was geschehen war, während ich dem Narren half, etwas Wasser zu trinken. Als sie fertig war, zog Kettricken ein bedenkliches Gesicht, doch Krähe ging wie eine Furie auf uns los. »Der Weiße Prophet und der Wandler!«, zeterte sie aufgebracht. »Von wegen! Nennen wir sie doch einfach nach dem, was sie sind: ein Narr und ein Dummkopf. So etwas Törichtes und Unüberlegtes zu tun! Ohne jegliche Erfahrung, wie sollte er sich da vor dem Zirkel schützen?«
    »Weißt du denn, was geschehen ist?«, unterbrach ich ihre Tirade.
    »Ich... nun,

Weitere Kostenlose Bücher