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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Binsen hervor. Das üppige Wuchern von Gräsern und Farnen deutete auf ein Sumpfgebiet hin, wie auch der Pflanzengeruch von stehendem Wasser zeugte. Als der Wolf mit nassen Beinen von seinem Streifzug zurückkehrte, wusste ich, dass ich Recht hatte.
    Kurze Zeit später gelangten wir zu einer Stelle, wo ein schäumender Bach vor langer Zeit eine Brücke weggerissen und die Straße zu beiden Seiten unterspült hatte. Jetzt schlängelte er sich als unschuldiges und silbern schimmerndes Rinnsal durch sein steiniges Bett, aber die entwurzelten Bäume am Ufer ließen erahnen, mit welch verheerender Gewalt er bei Hochwasser herbeifloss. Ein Froschkonzert verstummte schlagartig bei unserem Herannahen. Von Stein zu Stein springend, gelangte ich trockenen Fußes auf die andere Seite. Gleich darauf, sowie die Wegverhältnisse schlechter geworden waren, hatte unser kleiner Trupp seine Reihen wieder geschlossen, worauf wir nun gemeinsam schweigend weitermarschierten. Amseln sangen, und frühe Insekten summten.
    »So viel Leben hier«, bemerkte Kettricken leise. Ihre Worte schienen in der stillen, süßen Luft zu schweben. Ich nickte zustimmend. So viel Leben ringsumher, sowohl pflanzlich als auch tierisch. Ich fühlte es mit allen Sinnen. Nach der kahlen Felsenwildnis und der verödeten Gabenstraße wirkte dieser Überfluss geradezu berauschend.
    Dann erblickte ich den Drachen.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen und gebot den anderen mit seitlich ausgestreckten Armen Halt und Schweigen. Alle gehorchten und folgten meinem Blick. Merle schnappte nach Luft, und dem Wolf sträubten sich die Nackenhaare. Wir standen da und gafften, ebenso unbeweglich wie der Gegenstand unseres Erstaunens.
    Golden und grün räkelte er sich im flimmernden Schatten der Bäume. Er lag so weit abseits des Pfades, dass ich zwischen den Stämmen hindurch nur Teile seines Leibes erspähen konnte, aber schon das war überwältigend. Der mächtige Schädel, so groß wie ein ganzes Pferd, ruhte tief im weichen Moos. Das mir zugewandte Auge war geschlossen. Ein Kamm aus fedrigen Schuppen lag schlaff um seinen Hals. Ähnliche Büschel über dem Auge wirkten beinahe komisch, nur dass an einem Geschöpf, das so gewaltig und so wundersam war, eigentlich nichts wirklich komisch anmutete. Ich sah eine schuppengepanzerte Schulter und zwischen zwei Bäume geschlängelt ein Stück des Schweifs. Welkes Laub war um den Drachen herum angehäuft wie zu einem Nest.
    Nach einem langen, atemlosen Augenblick schauten wir uns gegenseitig an. Kettricken hob fragend die Augenbrauen. Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte keine Ahnung, welche Gefahren uns drohen mochten oder wie wir ihnen begegnen sollten. Sehr langsam und leise zog ich mein Schwert, doch die blanke Klinge erschien mir plötzlich äußerst unzulänglich. Ebenso gut konnte man einen Bären mit einem Tafelmesser angehen. Ich weiß nicht, wie lange wir so dastanden, ohne uns zu rühren; es kam es mir jedoch vor wie eine Ewigkeit. Meine Glieder begannen zu schmerzen. Die Jeppas traten unruhig hin und her, blieben aber in der Reihe stehen, solange Kettricken das Leittier festhielt. Endlich gab sie ein unauffälliges Zeichen, und wir setzten uns langsam wieder in Bewegung.
    Als das schlummernde Geschöpf schließlich nicht mehr zu sehen war, atmete ich erleichtert auf. Jedoch begann meine Hand, die immer noch krampfhaft den Schwertgriff umklammert hielt, mit der Entspannung gleich zu schmerzen, und meine Knie wurden weich. Ich strich mir das schweißnasse Haar aus dem Gesicht und wollte gleich einen erleichterten Blick mit dem Narren tauschen, doch der schaute nur ungläubig starr an mir vorbei. Ich drehte mich hastig herum. Und mit mir die anderen. Wieder verharrten wir still und stumm und schauten auf einen weiteren schlafenden Drachen.
    Dieser lag im tiefen Schatten von immergrünen Bäumen, wie der erste tief eingebettet in Moos und dürres Laub. Damit aber endete die Ähnlichkeit. Der lange Echsenschwanz wand sich um den Leib wie eine verschlungene Girlande, und die schuppige Haut glänzte in einem tiefen, kupfernen Braun. Ich konnte die Falten seiner Flügel ausmachen, die eng an den schlanken Leib geschmiegt waren. Der lange Hals war auf den Rücken gebogen wie der einer schlafenden Gans, und die Form des Kopfes erinnerte auch tatsächlich eher an einen Vogel, nicht zuletzt durch den raubvogelähnlichen Schnabel des Drachens. Aus der Stirn der Kreatur spross ein schimmerndes Horn mit einer nadelfeinen Spitze. Die

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