Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
sagte ich endlich. »Wo sollte ich anfangen, um meine Vergangenheit ungeschehen zu machen? Wie weit müsste ich in die Vergangenheit zurückgreifen? Was alles hätte ich ändern müssen, um dies hier zu ändern, oder um jetzt sagen zu können, es täte mir nicht leid?«
Die Straße unter uns ist leer . Nachtauge meldete sich in meinem Bewusstsein.
Ich weiß. Krähe weiß es auch. Sie wollte nur den Narren beschäftigen und hat dich mitgeschickt, damit du auf ihn achtest. Ihr könnt jetzt zurückkommen.
Ach so. Ist alles in Ordnung?
»FitzChivalric? Ist alles in Ordnung?« Besorgnis lag in Veritas’ Stimme. Aber diese Besorgnis vermochte nicht ganz den Triumph zu überdecken, der ebenfalls aus ihr sprach.
»Nein, ist es nicht«, antwortete ich laut und ihnen beiden zugleich. »Ist es nicht.« Ich wandte mich ab und ging davon.
Hinter mir hörte ich Krähe erwartungsvoll fragen: »Ist es so weit? Sind wir bereit, ihn zu erwecken?«
Veritas’ leise Stimme trug seine Antwort bis an meine Ohren. »Nein. Noch nicht. Eine kleine Weile noch möchte ich diese Erinnerungen für mich selbst haben. Etwas noch möchte ich ein Mensch sein.«
Als ich durchs Lager ging, trat Kettricken aus dem Zelt. Sie trug dieselben abgewetzten Kleider wie am Tag zuvor. Wie stets war ihr Haar im Nacken zu einem kurzen Zopf geflochten, und die Falten auf ihrer Stirn und um die Mundwinkel waren nicht verschwunden. Doch auf ihrem Gesicht lag noch ein warmer, leuchtender Perlenglanz. Neue Zuversicht strömte von ihr aus. Sie atmete die frische Morgenluft in vollen Zügen ein und schenkte mir ein strahlendes Lächeln.
Doch ich eilte nur an ihr vorbei.
Das Wasser im Bach war eiskalt, die Ufer waren mit groben Schachtelhalmen bewachsen. Ich riss ganze Hände voll davon aus, um mich damit abzuschrubben. Meine nassen Kleider waren auf den Büschen am anderen Ufer ausgebreitet. Der warme Tag versprach sie schnell zu trocknen. Nachtauge saß am Ufer und beobachtete misstrauisch mein Treiben.
Ich verstehe das nicht. Du riechst gar nicht schlecht.
Nachtauge, geh jagen. Bitte.
Du möchtest allein sein
So allein wie es momentan noch möglich ist.
Er stand auf und reckte sich mit einer tiefen Verbeugung in meine Richtung. Eines Tages werden wir allein sein, du und ich. Wir werden jagen und fressen und schlafen, und du wirst alles ausheilen.
Mögen wir beide das nur noch erleben , sagte ich aus vollem Herzen.
Der Wolf verschwand zwischen den Bäumen. Ich versuchte, die silbernen Fingerabdrücke des Narren an meinem Handgelenk abzuscheuern. Sie gingen nicht ab; dafür lernte ich eine Menge über den Lebenszyklus von Ackerschachtelhalmen. Ich gab es auf. Selbst wenn ich mir die Haut vom lebendigen Leibe zog, würde ich mich noch immer nicht frei fühlen von dem, was geschehen war. Ich watete aus dem Bach und strich mir dabei das Wasser von der Haut. Meine Kleider waren bereits trocken genug, um wieder hineinschlüpfen zu können. Ich setzte mich ans Ufer, um meine Stiefel anzuziehen. Fast wären meine dahinschweifenden Gedanken zu Molly und Burrich gewandert, doch ich rief mich schnell zur Ordnung und überlegte stattdessen, wann Edels Soldaten hier wohl eintreffen konnten und ob Veritas seinen Drachen bis dahin vollendet haben würde. Vielleicht war er ja aber bereits vollendet. Eigentlich ein Ereignis, das ich nicht versäumen sollte.
Doch mein Wunsch, allein zu sein, war stärker.
Ich legte mich ins Gras und schaute in den blauen Himmel. Ich bemühte mich, etwas zu empfinden. Furcht, Aufregung oder Zorn. Hass oder Liebe. Doch ich fühlte mich nur verwirrt und ausgebrannt. Geist und Körper waren erschöpft. Von der Helligkeit geblendet, schloss ich die Augen.
Die Harfentöne begleiteten das Murmeln und Rauschen des Wassers, verschmolzen damit, lösten sich übermütig von allem und kehrten schließlich gleich wieder zurück. Meine Augenlider öffneten sich und ich schaute blinzelnd zu Merle hin. Sie saß neben mir am Bachufer und spielte auf der Harfe. Ihr offenes Haar fiel in Wellen ihren Rücken hinab. Sie hatte einen Grashalm im Mund, und ihre nackten Füße schmiegten sich ins weiche Gras. Sie erwiderte meinen Blick, doch ohne etwas zu sagen. Ich schaute auf ihre Hände, während sie spielte. Ihre linke Hand mit den steifen Fingern musste sich flinker bewegen, um die Unbeweglichkeit der letzteren auszugleichen. Mir war, als hätte dies in mir ein bestimmtes Gefühl hervorrufen müssen, aber ich wusste nicht welches.
»Wozu sind Gefühle
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