Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
die Halsbeuge geschlagen hätte …
Aber - »FitzChivalric«, sagte eine überraschte Stimme.
Mollys Stimme. Ich drehte mich zu ihr herum. Im Bruch teil einer Sekunde war meine Wut in helle Freude umgeschlagen. Doch sogleich senkte sie den Blick. »Vergebung, Herr.« Sie drückte sich mit gesenktem Kopf an mir vorbei. Wie eine Dienstmagd.
»Molly?« Unwillkürlich machte ich eine Bewegung, um ihr zu folgen. Sie blieb stehen und schaute zurück. Weder ihre Miene noch ihre Stimme verrieten, was in ihr vorging.
»Ja, Herr? Habt Ihr einen Auftrag für mich?«
»Einen Auftrag?« Natürlich. Ich sah mich um, aber wir waren allein. Kühn trat ich einen Schritt auf sie zu und dämpfte meine Stimme, so dass nur sie mich hören konnte. »Nein, aber ich habe dich so vermisst. Molly, ich …«
»Dies geziemt sich nicht, Herr. Ich bitte Euch, lasst mich gehen.« Sie wandte sich stolz und überlegen von mir ab und schritt den Flur hinunter zur Treppe.
»Was habe ich getan?«, verlangte ich aufgebracht zu wissen. Ihr Verhalten war mir ein Rätsel. Eigentlich rechnete ich nicht mit einer Antwort, aber sie blieb stehen. Ich starrte auf ihren blaugekleideten Rücken. Er war kerzengerade, und ihr Nacken war steif. Sie sprach in den leeren Korridor hinein. »Nichts. Nichts habt Ihr getan, Herr. Absolut gar nichts.«
»Molly!«, begehrte ich auf, aber sie war schon um die Ecke gebogen und fort. Ich starrte ihr hinterher, bis mir plötzlich bewusst wurde, dass ich einen merkwürdigen Laut von mir gab, der halb wie ein Winseln, halb wie ein Knurren klang.
Lass uns jagen.
Vielleicht. Die Versuchung war groß. Das wäre das Beste. Zu jagen, zu töten, zu schlafen. Und ganz allein das.
Und warum nicht jetzt gleich?
Ich weiß es nicht.
Ich kehrte wieder zu Kettrickens Tür zurück und klopfte an. Die kleine Rosemarie öffnete mir und begrüßte mich mit einem Lächeln. Gleich bei meinem Eintreten sah ich, aus welchem Grund Molly hier gewesen war. Kettricken hielt eine dicke grüne Kerze an die Nase und atmete den Duft ein, weitere standen auf dem Tisch.
»Myrica«, bemerkte ich.
Kettricken blickte lächelnd auf. »FitzChivalric. Willkommen. Nimm Platz. Darf ich dir etwas zu essen anbieten? Wein?«
Ich stand da und schaute sie an. Was für eine Veränderung. Ich fühlte ihre Kraft und spürte ihre Geistesgegenwart, mit der sie ganz in sich ruhte. Sie trug eine Tunika über einer eng an liegenden Hose aus Wollstoff, die beide grau waren, und ihr Haar war frisiert wie immer. An Schmuck hatte sie nur eine Kette aus blauen und grünen Steinperlen umgelegt. Dies war nicht die Frau, die ich vor ein paar Tagen auf dem Rücken eines Maultiers in die Burg zurückgebracht hatte. Jene Frau war traurig, zornig, verletzt und verwirrt gewesen. Diese Kettricken verströmte heitere Gelassenheit.
»Hoheit«, begann ich zögernd.
»Kettricken«, berichtigte sie mich ruhig. Sie ging im Zimmer umher und stellte einige der Kerzen auf die Regale. Ihre Weigerung, mehr zu sagen, wirkte fast herausfordernd.
Ich trat weiter in den Raum hinein. Sie und Rosemarie waren allein. Veritas hatte sich ein mal bei mir Beklagt, ihre Gemächer wären so akkurat wie ein Militärlager. Er hatte nicht übertrieben. Die Einrichtung war schlicht und sparsam, es fehlten die für Bocksburg charakteristischen Tapisserien und Teppiche. Auf dem Boden lagen einfache Strohmatten, holzgerahmte Pergamentwandschirme waren mit zarten Blumen und Bäumen bemalt. Nichts stand oder lag herum. In diesem Raum war alles hergerichtet, weggeräumt oder noch gar nicht begonnen. Nur so kann ich die Stille beschreiben, die ich dort empfand.
Beim Hereinkommen hatte ich mich in einem Aufruhr widerstreitender Gefühle befunden. Jetzt aber wurde ich ruhig, so dass ich regelmäßig ein- und ausatmetete und mein Herz ganz gleichmäßig schlug. Eine Ecke des Raums hatte man mit Hilfe der Wandschirme in einen Alkoven verwandelt, ausgestattet mit einem grünen Webteppich und niedrigen, gepolsterten Bänken, wie ich sie in den Bergen gesehen hatte. Kettricken stellte die grüne Kerze hinter einen der Schirme und entzündete sie mit einem brennenden Span vom Kamin. Die tanzende Flamme verlieh der gemalten Szenerie auf dem Pergament das Leben und die Wärme eines Sonnenaufgangs. Kettricken nahm auf einer der Bänke Platz und lud mich mit einer Handbewegung ein, ihrem Beispiel zu folgen. »Willst du mir Gesellschaft leisten?«
Ich setzte mich ihr gegenüber hin. Der sanft erleuchtete Schirm, die
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