Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
ihrem Kommen und Gehen, sondern jede Taube auf dem Dach, jede huschende Maus hinter den Weinfässern, jedes Stäubchen Leben, keines zu winzig oder zu unbedeutend, um nicht ein Knotenpunkt im Netz zu sein. Nichts ist für sich allein, nichts ist vergessen, nichts ist ohne Bedeutung und nichts von Wichtigkeit - von irgendwoher erklang von irgendjemanden dieser Gesang, der dann verstummte. Nach dieser einzelnen Stimme ertönte aus der Ferne und ganz leise ein Chor anderer Stimmen. Was? Wie bitte? Hast du gerufen? Bist du hier? Träume ich? Sie zupften an mir wie Bettler am Ärmel eines Vorübergehenden, und plötzlich kam mir zu Bewusstsein, dass, wenn ich mich nicht bald zurückzog, Gefahr lief, nicht von ihnen fortgezogen zu werden. Ich konzentrierte mich wieder auf mich selbst. Ich atmete ein.
    Es war praktisch keine Zeit vergangen. Nur ein Atemzug, ein Lidschlag. Kettricken sah mich seltsam an. Ich gab mir den Anschein, es nicht zu bemerken. Ich kratzte mich an der Nase. Ich rückte hin und her.
    Ich faltete die Hände im Schoß, ich legte sie auf die Knie. Ich ließ noch einige Minuten verstreichen, bevor ich aufseufzte und entschuldigend die Schultern hob. »Ich fürchte, ich verstehe dieses Spiel nicht.«
    Es war mir gelungen, sie zu verärgern. »Es ist kein Spiel. Du brauchst es nicht zu verstehen oder zu ›tun‹. Richte deinen Blick nach innen und beschränke dich ganz darauf zu sein.«
    Ich tat so, als machte ich einen zweiten Versuch. Kurze Zeit saß ich still, dann spielte ich an meiner Manschette herum, bis Kettricken aufmerksam wurde und mich anschaute. Ich senkte beschämt den Blick. »Die Kerze riecht sehr gut«, bemerkte ich verlegen.
    Kettricken seufzte und gab mich als hoffnungslos auf. »Die junge Frau, die sie her stellt, hat ein großes Verständnis für Düfte. Mit ihren Duftstoffen kann sie mir meine Gärten ins Zimmer bringen. Edel hat mir eine ihrer Geißblattkerzen gebracht, und danach habe ich mir selbst ihre Waren angesehen. Sie ist eine Dienstmagd hier und hat nicht die Zeit und nicht die Möglichkeiten, Kerzen in größeren Mengen herzustellen. Deshalb weiß ich es zu schätzen, wenn sie kommt, um mir welche anzubieten.«
    »Edel«, wiederholte ich. Edel, der mit Molly redete. Edel, der sie gut genug kannte, um von ihrer Tätigkeit als Kerzenzieherin zu wissen. Eine böse Vorahnung krampfte mir den Magen zusammen. »Hoheit, ich glaube, ich störe Euch bei Eurer Meditation. Darf ich Euch verlassen, um wiederzukommen, wenn Ihr meine Gesellschaft wünscht?«
    »Für diese Übung ist es nicht notwendig, allein zu sein, FitzChivalric.« Sie schaute mich traurig an. »Willst du nicht noch einmal versuchen, dich zu lösen? Einen Moment lang dachte ich … Nein? Nun gut, dann lasse ich dich gehen.« Ihre Stimme verriet Bedauern und Einsamkeit. Aber schon straffte sie die Schultern und atmete wieder tief ein und aus. Erneut fühlte ich das Vibrieren ihres Bewusstseins im Netz. Sie hatte die Macht. Nicht stark, aber stark genug.
    Leise verließ ich das Gemach. Ich geriet ins Schmunzeln bei der Vorstellung, was Burrich sagen würde, wenn er davon wüsste. Viel weniger amüsant war es, mich daran zu erinnern, wie sie auf mein Spüren mit der Macht reagiert hatte. Ich dachte an meine nächtlichen Jagdausflüge mit dem Wolf. Würde die Königin dem nächst über merkwürdige Träume klagen?
    Mit einem Mal lief es mir kalt den Rücken hinunter: Ich schwebte in größter Gefahr, entdeckt zu werden. Ich war zu lange zu unvorsichtig gewesen. Allein schon Burrich konnte es fühlen, wenn ich mich der Macht bediente. Was, wenn es noch andere gab? Man konnte mich der Tiermagie beschuldigen. Ich konnte nicht länger zögern, mein Entschluss stand fest. Morgen würde ich handeln.

KAPITEL 11
EINSAME WÖLFE
    D er Narr wird immer eins von Bocksburgs größten Geheimnissen bleiben. Man kann guten Gewissens sagen, dass so gut wie keine Fakten über ihn bekannt sind. Seine Herkunft, Alter, Geschlecht, Rasse waren samt und sonders Gegenstand von Vermutungen. Am erstaunlichsten ist, wie eine Person, die dermaßen im Blickpunkt stand, sich eine solche Aura des Geheimnisvollen zu bewahren vermochte. Die Fragen, den Narren betreffend, werden immer zahlreicher sein als die Antworten. Besaß er je wirklich irgendwelche mystischen Kräfte, die Gabe der Hellseherei oder überhaupt magische Fähigkeiten, oder erweckten nur sein flinker Verstand und die spitze Zunge den Anschein, dass er alles schon wusste, bevor es geschah?

Weitere Kostenlose Bücher