Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Wenn er kein Hellseher war, verstand er sich doch meisterhaft auf Spiegelfechtereien und brachte viele von uns dazu, ihm zu helfen, die Zukunft so zu gestalten, wie er es für richtig hielt.
Weiß auf Weiß. Ein Ohr zuckte, und diese winzige Bewegung verriet alles.
Siehst du?, fragte ich ihn.
Ich rieche.
Ich sehe. Ich fasste die Beute ins Auge. Mehr war nicht notwendig.
Ich sehe. Er sprang. Das Kaninchen schrak auf und stob da von, Cub ihm nach. Während Cub nach jedem Sprung einsank flitzte die weiße Pelzkugel über den weichen Schnee, schlug wilde Haken um den Baum, um das Gebüsch herum und schließlich mitten hinein in die Dornen. Cub schnüffelte erwartungsvoll hinterher, aber für ihn war das Gestrüpp ein undurchdringlicher Verhau.
Es ist weg, erklärte ich.
Wirklich? Warum hast du mir nicht geholfen?
Ich kann in weichem Schnee kein Wild verfolgen. Ich muss mich so dicht anschleichen, dass ein Sprung genügt.
Ah. Begreifen. Überlegen. Wir sind zu zweit. Wir sollten als Paar jagen. Ich treibe dir das Wild zu, du tötest es.
Ich schüttelte den Kopf. Du musst lernen, allein zu jagen, Cub. Ich werde nicht immer bei dir sein, weder in Gedanken noch in der Wirklichkeit.
Ein Wolf ist nicht dazu bestimmt, allein zu jagen.
Mag sein. Aber viele tun es. Und auch du wirst es lernen. Doch es war nicht meine Absicht, dass du gerade mit Kaninchen anfangen sollst. Komm weiter.
Er trabte widerspruchslos hinter mir her; für ihn war ich der Leitwolf und bestimmte die Richtung. Wir hatten die Burg verlassen, bevor auch nur der erste graue Morgenschimmer den Winterhimmel erhellte, der sich jetzt blau und weit und klar und frostig über uns spannte. Der Weg, dem wir folgten, war nicht mehr als eine weiche runde Rinne im tiefen Schnee. Bei jedem Schritt sank ich bis über die Knöchel ein. Im Wald ringsum herrschte winterliche Stille, hin und wieder durchbrochen vom Flügelschlag eines Vogels oder dem weit entfernten Ruf einer Krähe. Es war junger Wald, der nach einem Feuer schnell hochgewachsen war; dazwischen ragten einige der Baumriesen empor, die das Inferno überlebt hatten. Sommers gab es hier gute Weide für die Ziegen; und ihre scharfen kleine Hufe waren es auch, die den Pfad ausgetreten hatten, dem wir folgten. Er führte zu einer baufälligen Hütte aus Feldsteinen, mit einem Pferch und Unterstand für die Herde. Im Winter stand alles leer.
Cub war hocherfreut gewesen, als ich in der Frühe kam, um ihn zu holen. Er hatte mir den Weg gezeigt, den er benutzte, um ungesehen aus der Burg hinauszugelangen. Ein altes Viehgatter, das seit langem zugemauert war, diente ihm als Hintertür. Durch Erdverschiebungen war ein Riss entstanden, der groß genug für ihn war, und der flachgedrückte Schnee verriet mir, dass er ihn oft benutzt hatte. Einmal außerhalb der Mauern, bewegten wir uns wie Schatten durch das auf weißem Schnee so gespenstische Licht der Sterne und des Mondes. In sicherer Entfernung von der Burg hatte Cub damit begonnen, den Ausflug in eine Übung zur Pirsch zu verwandeln. Er rannte voraus und lauerte im Hinterhalt, um sich dann auf mich zu stürzen, wieder davonzustürmen, in einem großen Bogen zurückzukehren und mich von hinten anzufallen. Ich hatte ihn gewähren lassen, erstens, weil die Bewegung mich warmhielt, und zweitens aus reiner Freude am herumtollen. Trotzdem achtete ich darauf, dass wir stetig vorankamen, und als es schließlich hell wurde, waren wir meilenweit von Bocksburg entfernt und in einem Gebiet, wohin sich zur Winterzeit kaum je ein Mensch verirrte.
Die Jagd auf das Kaninchen hatte sich durch Zufall ergeben, für Cubs Bewährungsprobe hatte ich eigentlich noch bescheideneres Wild ausersehen.
Weshalb sind wir hierhergekommen?, wollte Cub wissen, sobald wir die Hütte vor uns sahen.
Um zu jagen, antwortete ich und blieb stehen. Der Wolf sank neben mir nieder und wartete. Los, los, ermunterte ich ihn. Geh und such nach Anzeichen für Wild.
Oh, das ist eine feine Jagd. Bei einer Menschenbehausung nach Abfällen schnüffeln. Er wurde sarkastisch.
Keine Abfälle. Geh hin und sieh’s dir an.
Er erhob sich aus seiner halb liegenden, halb geduckten Haltung und bog ein Stück zur Seite aus, um sich in einem spitzen Winkel an die Hütte heranzuarbeiten. Ich beobachtete ihn. Bei unseren gemeinsamen Jagdausflügen im Traum hatte er viel gelernt, doch jetzt wollte ich, dass er lernte, ohne mich auszukommen. Im Grunde genommen zweifelte ich nicht an seinen Fähigkeiten und
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