Five Stars 02 - Wildes Verlangen
schon kannte. Er strahlte mich an, als ich mich vor ihm drehte. »Du wirst die Schönste auf dem Fest sein. Komm!« Er streckte mir die Hand entgegen und so verließen wir die Villa und gingen über einen kaum fünfzig Zentimeter breiten Weg zwischen den Reisfeldern entlang Richtung Dorf. Ich hatte Mühe, in dem engen Sarong auf dem schmalen Pfad die Balance zu halten und wäre fast in das bewässerte Feld gefallen, als ich etwas über den Weg kriechen sah. Panisch schreiend blieb ich stehen, aber Daniel lachte nur. »Das ist nur eine völlig harmlose Reisfeldschlange, die wir mit den Schwingungen unserer Schritte aufgescheucht haben.«
Harmlos hin oder her, ich setzte meine Füße von jetzt an mit noch mehr Respekt auf den Boden. Zum Glück erreichten wir bald eine breitere, befestigte Straße, auf der viele Menschen unterwegs waren. Was heißt hier unterwegs waren, sie schritten dahin. Alle Frauen trugen wie ich Sarong, Corsage und durchsichtige Bluse. Sie hatten ihre pechschwarzen Haare zu großen Dutts zusammengebunden und wenn die Haarlänge dafür nicht reichte, trugen sie ein künstliches Haarteil. Sie waren allesamt wunderschön und ich kam mir vor wie das hässliche Entlein unter all diesen Schwänen. Das beeindruckendste aber waren die bis zu zwei Meter hohen Opfertürme, die sie, nur eine Hand zur Hilfe nehmend, auf dem Kopf balancierten. Ich war so fasziniert, das ich stehen blieb und eine Gruppe von Frauen an uns vorbeiziehen ließ. Daniel erklärte mir derweil, dass die Frauen seit Tagen mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt gewesen waren. »Alles muss von Hand hergestellt werden. Die bunten Teile unterschiedlicher Größe sind Reiskuchen, den Rest kannst du ja selbst erkennen.«
Klar, konnte ich. Ich sah Früchte aller Art, aber auch ganze gebratene Enten und Hühner. »Was für ein Aufwand, und das alles nur für einen Tag?«
Daniel nickte. »Heute Abend, wenn sich die Götter im Tempel die Essenz der Opfergaben genommen haben, werden die Köstlichkeiten im Kreis der Familie verspeist.«
Er nahm mich bei der Hand und wir gingen im Schlendertempo weiter.
»Die balinesische Festkultur ist einzigartig auf der Welt. Die Insel ist von der Natur begünstigt, die Vulkanböden sind fruchtbar und der Monsunregen kommt regelmäßig, dadurch war die Nahrungsgrundlage der Menschen immer gesichert und es blieb ausreichend Zeit für andere Dinge. Ich kenne keinen anderen Ort auf der Welt, an dem die Menschen so viel Zeit und Energie für nichtmaterielle Güter aufwänden, was vor allem für künstlerische und religiöse Ausdrucksformen gilt. Deswegen ist diese kleine Insel kulturell so reich und deshalb können wir heute das faszinierende Schauspiel eines balinesischen Tempelfestes erleben.«
Wir erreichten einen freien Platz vor dem großen, spitzen Tor, das den Eingang zum Tempel markierte, wie ich von Ketut gelernt hatte. Die Frauen mit den Opfergaben schritten hindurch, während die Männer einen Kreis am Rande des Platzes bildeten.
»Komm«, sagte Daniel und zog mich in Richtung der Männer, »lass uns den Hahnenkampf anschauen.«
»Wie bitte?« kreischte ich entsetzt. »Das ist nicht dein Ernst!«
Er blieb stehen und sah mich an. »Es ist nicht an uns, darüber zu urteilen, Violetta. Wir können nicht trennen und sagen, der eine Teil der Tradition, das Helle und Freundliche, ist in Ordnung und das andere nicht. Auf Bali liegen beide Welten immer dicht beieinander. Das Gute ist nicht ohne das Böse denkbar und deshalb müssen vor dem Fest auch die Dämonen und bösen Geister besänftigt werden und dazu braucht es das Blut eines Hahns.«
Er umfasste meine Hand fester und zog mich mit. »Du wirst sehen, es ist weniger schlimm, als du denkst. Die Hähne hatten bis zum heutigen Tag, an dem einer sein Leben lassen muss, ein wunderbares Leben, wurden gepflegt und gehätschelt, wie keiner ihrer Artgenossen auf dieser Welt.«
Als wir uns den aufgeregt diskutierenden Männern näherten, öffneten sie ihren Kreis, um uns eintreten zu lassen. Sie schienen Daniel zu kennen, denn viele sprachen ihn an und zu meiner Verwunderung antwortete er in indonesisch. Es hörte sich so an, als spreche er diese Sprache perfekt. Ich blickte mich um. Die Männer hatten erhitzte Gesichter und Geldscheine wurden herumgereicht. Bevor ich fragen konnte, sagte Daniel: »Sie wetten, und die Beträge sind hoch. Der eine oder andere wird es heute Abend bereuen.« Auch Daniel hielt einige Scheine in die Höhe, die ihm nach
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