Five Stars 02 - Wildes Verlangen
längerem Hin und Her ein alter Balinese, dem an der rechten Hand drei Finger fehlten, abnahm. In die Mitte des Kreises kam Bewegung. Zwei junge Männer hielten ihre Hähne, die sie bisher schweigend am Boden gestreichelt hatten, in die Höhe und redeten ihnen zu. Alle riefen aufgeregt durcheinander, auch Daniel beteiligte sich an dem Gebrüll. Plötzlich warfen die Männer die Hähne in den Ring. Jetzt erst sah ich, dass sie spitze Messer an ihren Krallen trugen. Es dauerte keine Minute, bis eines der Tiere tot am Boden lag. Stolz nahm der Besitzer seinen Siegerhahn und zeigte ihn unter dem Beifall der Umstehenden herum. Wieder wurde Geld herumgereicht, aber Daniel ging leer aus. »Verloren?« fragte ich, froh, den Blick von dem toten Tier wenden zu können. »Wie sollte es anders sein, antwortete er lächelnd. »Pech im Spiel … .«
»Glück in der Liebe«, vollendete ich den Satz und ergriff strahlend seine Hand, denn ich gierte noch immer nach jeder seiner verbalen Liebesbezeugungen. Gemeinsam durchschritten wir das Tor und betraten das Innere des nach oben offenen Tempels. Balinesische Gotteshäuser, das hatte ich schon gestern gelernt, waren keine geschlossenen Häuser sondern eher ummauerte Plätze. Die Götter sollten die ihnen angestammten Sitze erreichen, ohne Hindernisse überwinden zu müssen. Die Frauen hatten ihre Opfergaben auf ein Podest am Rande des Platzes gesellt. Die Menschen saßen in langen Reihen auf dem Fußboden. Daniel suchte uns einen Platz und wir ließen uns nieder. Er beugte sich zu mir und deutete auf einen in ein prachtvolles Gewand gekleideten Mann, der eine hohe Kopfbedeckung trug. »Das ist der Priester. Er wird jetzt mit magischen Zeremonien die Götter beschwören, zu uns herabzusteigen. Der Weihrauch, den er in dem Kessel vor sich verbrennt, ist so eine Art symbolische Himmelsleiter, um ihnen das zu erleichtern.«
»Und? Kommen sie wirklich?«
»Wir wollen es hoffen«, antwortete Daniel auf meine vorlaute Frage. Ich hielt besser den Mund, obwohl die Menschen um mich herum den Handlungen des Priesters kaum Beachtung schenkten, sondern fröhlich miteinander schwatzten. Ich schaute mich um. Der ganze Platz war prächtig geschmückt. Flechtwerke aus Palmblättern hingen an den Opfertischen. Am Rande des Platzes standen hohe Bambusstangen, von denen filigran geflochtene Gebinde aus Palmblättern, Blumen und Fahnen herabhingen. Die Schreine waren mit neuen Tüchern aus leuchtenden Farben umhüllt und wurden von Zeremonialschirmen geschützt. So schlicht ein balinesischer Tempel sonst wirken mochte, heute war er ein Rausch aus Farben.
Plötzlich ertönten, wie aus dem Nichts, dröhnende Gongschläge. Das fröhliche Geschnatter der Menschen verstummte. Alle senkten den Blick zu Boden und auch mir rieselte beim nächsten Gongschlag ein Schauer über den Rücken. Ich brauchte keine Erklärung, ich wusste, was geschah. Die Götter stiegen vom Himmel herunter und nahmen unter uns Platz. Ich blickte zur Seite. Daniel hatte den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen, als verharre er in tiefem Gebet. Glaubte er an diesen Zauber? Wieder ein Gongschlag. Der Priester erhob sich, schritt zu einem der Schreine und verbeugte sich, vermutlich begrüßte er den Gott. Diese Szene wiederholte sich bei jedem Schrein, anschließend reichte ihm jemand eine Schale und er spritze Wasser auf die Opfergaben, so wie katholische Pfarrer Weihwasser verspritzen. Langsam setzte das Gemurmel der Menschen wieder ein und bald schwatzten sie genauso fröhlich wie zuvor. Ich machte Anstalten aufzustehen, weil mir die Beine vom ungewohnten Schneidersitz weh taten. Daniel legte mir die Hand auf den Arm. »Warte noch ein paar Minuten, dann kannst du dir alles ansehen.«
Der Priester begann, die Reihen der Gläubigen abzuschreiten. Er blieb vor jedem stehen und goss anschließend etwas Wasser in die zu Schalen geformten Hände, dass sich die Gläubigen über den Kopf strichen als reinigten sie ihn. Ein zweiter Priester drückte danach jedem einige Reiskörner auf die Stirn. Ich schaute Daniel fragend an. War es wirklich richtig, dass wir Ungläubige an dieser Zeremonie teilnahmen? Er schien meine unausgesprochene Frage zu verstehen und nickte aufmunternd. Also formte auch ich eine Schale aus meinen Händen und hielt sie dem Priester entgegen. Als ich mir das Wasser über den Kopf schüttete, war es angenehm kühl. Der zweite Priester lächelte mich strahlend an, als er mir die Reiskörner auf die Stirn drückte. Daniel
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