Five Stars 02 - Wildes Verlangen
Sinn! Ich suchte nach einem Aschenbecher, fand aber keinen, warum hatte ich auch beim Einchecken extra um ein Nichtraucherzimmer gebeten. Dann eben nicht, dachte ich trotzig und ging zum Kleiderschrank. Dann käme das dämliche Schriftstück eben in die hinterste Ecke. Als ich die Schranktür öffnete, fiel mir der Safe ins Auge, dessen Tür offen stand, weil ich ihn bisher nicht benutzt hatte. Ich legte den Brief hinein und schloss die Tür. Um sie zu verriegeln, musste ich einen vierstelligen Code eingeben. Ohne darüber nachzudenken, tippte ich 0812 und stutzte erst danach, weil Daniel und ich uns am 8. Dezember das erste Mal begegnet waren. Fast zärtlich strich ich über das kalte Metall des kleinen Tresors, es kam mir fast wie eine kultische Handlung vor, als hätte ich etwas Heiliges in ein Tabernakel gelegt.
Ich riss mich los und ging ins Bad. Ich brauchte dringend eine Abkühlung und sollte mich mit den handfesten Problemen beschäftigen. In zwei Stunden stünde die Crew auf der Matte und dann brauchte ich einen klaren Kopf.
Sieben
»Ey du, nimm die Finger weg!«
»Na das geht ja schon mal gut los«, prustete Steve in sein Bierglas, als Jacqueline Kevin anblaffte, der ihr anscheinend zu nah auf die Pelle gerückt war. Jacqueline und Kevin, mehr Klischee ging ja gar nicht. Die beiden standen schon alleine wegen ihrer Namen nach dem Casting auf meiner Streichliste, aber Charly hatte gemeint, wir brauchten auch etwas für die einfacheren Gemüter unter den Zuschauern.
Die ganze Truppe hatte sich in der Bar des Hotels versammelt, fast jedenfalls, denn ein Kandidat fehlte. Und zwar nicht irgendeiner, sondern Lukas, den ich von Anfang an für den Favoriten auf den Gesamtsieg gehalten hatte. Gut aussehend, adrett, mit einer angenehmen Stimme, Typ Schwiegersohn eben. Er war gestern mit einem akuten Bandscheibenvorfall ins Krankenhaus gekommen und fiel definitiv aus. Steve hatte sich gleich um Ersatz gekümmert und, ohne jemanden zu fragen, Marvin angerufen, der selbstverständlich sofort zugesagt hatte und morgen anreisen würde. Ausgerechnet Marvin! Charly hatte genauso die Augen verdreht wie ich, als wir es erfuhren. Der Typ war ein Macho und Angeber, der ständig anzügliche Bemerkungen machte, jeder Frau auf den Busen starrte, und vermutlich den meisten auch in den Hintern kniff. Auf gut deutsch: ein echtes Ekelpaket.
Ich winkte dem Barkeeper zu und bestellte mit Handzeichen noch einen Mojito. Charly schaute mich besorgt von der Seite an, aber ich ignorierte ihren Blick. Ich hatte den Nachmittag und Abend irgendwie überstanden, es gab ja auch genug Arbeit, die keine besondere intellektuelle Herausforderung darstellte. In erster Linie ging es darum, die Zimmer zu verteilen und den Technikern ihre Arbeitspläne auszuhändigen. Seit zwei Stunden saßen wir jetzt in der Bar und tranken. Ich hatte noch kein privates Wort mit Charly wechseln können, die jetzt ihre Hand auf meinen Arm legte. »Was ist los, Violetta? Wieder mal das Phantom?« Diesen Spitznamen hatte sie Daniel verpasst, weil ich zwar ständig von ihm schwärmte, er aber nur selten auftauchte und außerdem hatte sie ihn noch nie gesehen. Ich schwieg. »Oha«, sagte sie, »so schlimm!«
Der Barmann stellte den Mojito vor mich auf den Tresen und ich steckte mir den Strohhalm in den Mund. Ja, so schlimm, dachte ich und sofort schossen mir die Tränen in die Augen. Wie sollte ich bloß diese Produktion überstehen, wenn ich bei jedem Gedanken an Daniel anfing zu heulen. Ich atmete tief durch und starrte in mein Glas, während Charly mir den Arm tätschelte. Sie wusste, wann es besser war, zu schweigen und das schätzte ich am meisten an ihr. Neben ihren hundert anderen Fähigkeiten und Begabungen, ohne die ich komplett aufgeschmissen gewesen wäre, natürlich.
»So, Leute, Zeit für die Heia. Wir haben morgen einen anstrengenden Tag vor uns.«
Kristin Kutsche, der weibliche Part des Moderatorenduos schwang sich zum Bestimmer auf. Sie war Mitte zwanzig, hatte blondgelocktes, schulterlanges Haar, und ein bisschen mehr als Modellmaße, war also die perfekte Besetzung für eine Showmoderatorin. Mir war ihre Stimme eine Spur zu schrill, aber wahrscheinlich hatte genau das den Ausschlag gegeben. Außerdem war ihr Gesicht noch nicht verbraucht, sie war neu im Geschäft und das brauchte die Show, denn Sven Ridder, der andere Teil des Duos, hatte die Vierzig genauso hinter sich wie eine beachtliche Karriere in verschiedenen Privatsendern. Ich fragte
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