Five Stars 02 - Wildes Verlangen
mich, ob er das »Flirthotel« für den Gipfel oder den Tiefpunkt seiner Laufbahn hielt. Im Gegensatz zu seiner leicht verlebten Erscheinung, war seine Stimme angenehm tief und klar: »Also, husch husch ins Körbchen. Und jeder für sich alleine, gevögelt wird erst, wenn die Kameras laufen.«
Unter allgemeinem Gelächter verließen alle die Bar. Ich hievte mich vom Barhocker und hatte Schwierigkeiten, einen festen Stand zu finden. Charly hakte sich bei mir ein und gemeinsam schafften wir es, unfallfrei meine Villa zu erreichen. Sie stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Da sieht man mal, dass es sich lohnt, auf einen Chefposten hinzuarbeiten.«
»Tut mir leid, Charly, ich hätte dir auch gerne … .«
Sie winkte ab. »Alles gut, ich werde ohnehin kaum zum Schlafen kommen.«
Damit hatte sie ohne Zweifel Recht. Das »Flirthotel« war eine aufwändige Produktion. Worum es ging, war leicht erzählt. Zwölf Kandidaten, sechs Frauen und sechs Männer, verlebten unbeschwerte Urlaubstage in einem Traumhotel. Rund um die Uhr wurden sie von Kameras beobachtet.
So klar stand es zwar nicht im Kandidatenbriefing, aber im Grunde genommen wussten sie genau, worauf es ankam.
Was sich so einfach anhörte, hatte einen Haken, die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Bali. Als die Sendung geplant wurde, war keine Liveübertragung vorgesehen. Wer konnte auch ahnen, dass seine Eminenz Mister Silberberg, der Besitzer und Alleinherrscher von TV66, auf einer Direktübertragung bestand. Angeblich hatte er Steve gedroht, ihn andernfalls zu entlassen. Für eine Verlegung des Drehortes war es da schon zu spät und jetzt hatten wir den Salat. Die Sendung lief täglich live von zwanzig Uhr fünfzig bis dreiundzwanzig Uhr deutscher Zeit und das bedeutete, dass wir ab übermorgen Tag für Tag von drei Uhr nachts bis sechs Uhr früh unserer Zeit auf Sendung gingen. Live und in Farbe. Dabei würde ein großer Teil der Sendezeit mit Material gefüllt, das während des übrigen Tages und der Nacht aufgezeichnet worden war und das wir natürlich vorher gesichtet und geschnitten haben mussten. Wann wir eigentlich schlafen sollten, war eine unbeantwortete Frage.
Charly öffnete die Terrassentür. »Du brauchst dringend frische Luft. Und dann erzählst du mir, was dich ständig zum Heulen bringt.«
Schwankend ging ich zum Zimmersafe, holte den Brief heraus und überreichte ihn Charly. Fünf Minuten später trank sie einen doppelten Bourbon in einem Zug.
Acht
Ich hatte einen ausgewachsenen Kater, als ich am nächsten Morgen erwachte. Kein Wunder, nachdem ich mit Charly noch drei Whisky getrunken hatte. Sie hatte den Brief noch mehrmals gelesen und dabei jedes Mal unflätigere Kommentare abgegeben, was für ein hinterhältiges Schwein Daniel wäre und dass ich froh sein sollte, ihn los zu sein. Fast hätte ich ihr zugestimmt, doch als sie gegangen war, überfiel mich der Schmerz ohne jede Vorankündigung. Es ging mir erst besser, als ich den Brief wieder im Tresor verschloss. Schlaf fand ich trotzdem erst am frühen Morgen. Entsprechend zerschlagen sah ich aus, selbst eine dicke Schicht Make-up konnte meinen Zustand nicht verbergen. »Immer noch so schlimm?« fragte Charly, die bereits vor einer großen Schüssel Müsli am Frühstückstisch saß. Ich nickte stumm.
»Na dann mach dich auf was gefasst.« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung Büfett. Als ich die Frau im dunkelblauen Kostüm und auf mindestens zwölf Zentimetern hohen Highheels sah, dachte ich zunächst, mein alkoholgeschädigtes Hirn spielte mir etwas vor. Das konnte doch nicht sein! Was zum Teufel machte Katja hier?
»Bleib ganz ruhig!« hörte ich wie durch Watte Charly. Ich zog einen Stuhl vor und setzte mich. Katja Lobitz hatte mir schon einmal das Leben zur Hölle gemacht, als sie dafür gesorgt hatte, dass die erste, verantwortungsvolle Aufgabe, die man mir auf Daniels Drängen in der Agentur Königskinder übertragen hatte, voll in die Hose ging. Anschließend stand ich auf der Straße und buchstäblich vor dem Nichts. Und jetzt stand diese Schlange hier im Hotel und legte drei dünne Scheiben Ananas auf ihren Teller.
»Was tut die hier?« zischte ich.
»Das habe ich Steve auch gefragt. Du wirst es nicht glauben, aber TV66 hat doch glatt die Königskinder mit der Onlinewerbung für die Show beauftragt. Anscheinend sind die in diesem Bereich jetzt dick im Geschäft, was sie, wie wir alle wissen, niemandem anderen als dir zu verdanken haben, Violetta.«
Das stimmte
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