Five Stars 02 - Wildes Verlangen
sein muss, deine Aufgabe.«
»Wir müssen das Schicksal also kampflos akzeptieren?«
Valerius nickte. »Daniel akzeptiert die Maschine nicht als Teil seines Lebens. Am besten tust du so, als wäre er unheilbar krank und kein Arzt der Welt können ihn retten. Ihm bleiben noch zwei Monate bis zu seinem unweigerlichen Tod. Was würdest du dann tun?«
So hatte ich die Situation noch nicht betrachtet. Freds Frage machte mich schlagartig ruhig. »Ich würde die uns verbleibende Zeit als Geschenk annehmen und … .«
Valerius fiel mir ins Wort: »… und mit Leben ausfüllen. Mit Leben, Violetta, verstehst du. Feiert die Zeit, die euch bleibt und sie wird dich ein Leben lang tragen und begleiten.«
Stille breitete sich im Zimmer aus. Minutenlang saßen Valerius und ich einander schweigend gegenüber. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, denn es war für den Moment alles gesagt. Nur das Ticken der alten Standuhr in der Diele war zu hören, bis das Klingeln meines Handys die Stille zerriss. Ein Blick auf das Display ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. War ich Daniels Anruf schon gewachsen? Mit zitterndem Finger nahm ich das Gespräch an.
»Guten Morgen mein Liebling! Wie geht es dir?«
»Guten Morgen, Liebste. Ich bin gerade aufgewacht, der Eingriff lief problemlos. Oskar meint, ich könnte übermorgen für zwei Tage die Klinik verlassen.«
»Oh, wunderbar. Ich komme … .«
»Nein«, unterbrach mich Daniel und für einen Moment fürchtete ich, er wolle mich nicht mehr um sich haben. »Frag Herrn Valerius, ob es ihm etwas ausmacht, wenn auch ich für zwei Tage sein Gast wäre?«
»Da brauche ich ihn nicht zu fragen, Daniel, er hat mich, das heißt, er hat uns eingeladen, sein Haus mit ihm zu teilen. Hier ist es wunderbar, du wirst es lieben.«
Daniels Lachen war ohne Glanz und trotzdem war es das Schönste, was ich in den letzten Tagen gehört hatte.
»Gut, dann bis übermorgen.«
Ich hauchte einen Kuss ins Telefon und errötete, als ich Freds liebevolles Lächeln sah.
Neunzehn
Die Stunden bis zu Daniels Ankunft in Russell vergingen wie im Flug. Valerius zeigte mir bei einem Spaziergang das historische Kleinstädtchen, das sich malerisch an die weit geschwungene Bucht schmiegte. Wir aßen mittags Fish and Chips auf der Terrasse des Bay of Islands Swordfish Club, der auf einer hölzernen Tafel stolz verkündete, der zweitälteste Sportfischereiverein der Welt zu sein und in dem Valerius selbstverständlich Mitglied war, ohne allerdings zu wissen, welcher denn nun der ältere Verein wäre. »Was spielt das auch für eine Rolle angesichts der Tatsache, dass es ein Mitglied dieses Vereins war, der den größten, jemals mit einer Angelrute gefangenen Schwertfisch an Land holte. Das Tier wog zweihundertdreiundvierzig Kilo.«
Ich wusste nicht, ob es sich um Anglerlatein handelte, setzte aber zur Sicherheit eine bewundernde Mine auf. Abends saßen wir am prasselnden Herdfeuer des Duke of Marlborough Hotels, einem Haus, in dessen viktorianische Architektur ich mich sofort verliebte, und genossen ein fulminantes Mahl und erstklassigen neuseeländischen Wein, von dem ich auch die zweite Nacht an der Bay of Island schlief wie ein Kind.
Den darauffolgenden Tag verbrachten wir an Bord des »Kleiner Wolf«, wie Freds Schiff wie ich fand völlig passend hieß. Wie sollte ein Kinderbuchautor sein Segelboot auch sonst nennen? Wir sonnten uns, spazierten mutterseelenallein über einen Traumstrand und genossen das klare, wenn auch recht kühle Wasser. Als wir kurz vor Sonnenuntergang Richtung Hafen segelten, deutete Valerius aufs Wasser. »Delphine, eine ganze Schule!« Tatsächlich tauchte kurz darauf ein Dutzend der eleganten Schwimmer unter unserem Boot hinweg, um nur zehn Meter von uns entfernt in die Luft zu schnellen und akrobatische Flugkünste zu zeigen. Valerius lachte wie ein Lausbub und klatschte in die Hände. »Ich bin mir sicher, dass sie diese Show nur für uns aufführen.«
Auch am Abend, den wir mit gegrilltem Fisch und kühlem Weißwein auf Freds Terrasse verbrachten, sprachen wir kein Wort über Daniels Besuch. Trotzdem schlief ich in der kommenden Nacht unruhig, erwachte jede Stunde und hatte Mühe, meine Gedanken zu beruhigen. Konnte ich es schaffen, Freds Rat zu folgen und einfach nur für Daniel da zu sein, ohne ihn zu irgendetwas zu drängen?
Am Morgen war ich bereits um sieben Uhr wach gewesen und erstmals hatte ich das Frühstück zubereitet, was Valerius mit einem leichten Anheben der
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