Fix und forty: Roman (German Edition)
Pferdekarren herumfahren und Spitzendeckchen auf dem Kopf tragen? Oder, falls Sie ein heterosexueller Mann sind: Hey, ziehen sich mennonitische Mädchen nicht an wie diese sexy französischen Zimmermädchen, mit schwarzen Kleidern und Schürzen? Was haben sie eigentlich darunter an? Oder, falls Sie gerne Einrichtungsmagazine lesen: Sind Mennoniten nicht die, die diese reizenden Patchworkdecken machen, von denen manche auf eBay für horrende Summen versteigert werden?
All dies sind berechtigte Fragen, und kein mennonitischer Schriftsteller, der sein Geld wert ist, würde sie unbeantwortet lassen. Hier also die Antworten, der Reihe nach:
manchmal, je nach Gemeindezugehörigkeit
Finger weg, Mister. Mennonitische Mädchen sind nicht kokett, ganz gleich, wie verführerisch wir mit unseren Hauben und Schürzen aussehen.
Liebestöter, weiß wie eine Flagge, doch nicht zur Kapitulation bereit.
Ich weiß von einer, die für 15500 Dollar verkauft wurde
eine Patchworkdecke, keine Unterhose. Wobei derjenige, der Frage drei gestellt hat, auf eBay wahrscheinlich auch auf eine Mennoniten-Unterhose bieten würde. Vielleicht wäre das eine Idee für einen geschäftstüchtigen Unternehmer: Mennoniten-Unterhosen auf eBay, womöglich gar ein Onlineshop, MyMennonitePanty.com zum Beispiel. Ich würde dem Typen sogar Starthilfe leisten und eine meiner eigenen Unterhosen spenden. Solange ich mir die Unterhose aussuchen dürfte.
Oft werden die Mennoniten mit den Amischen verwechselt, die tatsächlich eine abtrünnige Fraktion der Mennoniten waren, bevor sie sich abspalteten. Die Verwechslung ist also nicht ehrenrührig, denn historisch gibt es viele Parallelen zwischen Mennoniten und Amischen.
Doch die Amischen rebellierten im Jahr 1693 gegen die Mennoniten, weil wir ihnen viel zu liberal waren. Ziemlich komisch, nicht wahr? Ein liberaler Mennonit ist ein Oxymoron, wie es im Buche steht. So viele der Lehren und Praktiken der Mennoniten sind konservativ, dass man sich als Außenstehender wundert, wenn Mennoniten mit liberalen Ansichten in Verbindung gebracht werden. Denn einerseits widersetzen sich die Mennoniten dem Fortschritt mit ihrer strengen Doktrin und dem altmodischen Bekenntnis zu Familienwerten. Doch andererseits haben dieselben Mennoniten sich im Laufe ihrer fast fünfhundertjährigen Geschichte mit einigen aus heutiger Sicht linksorientierten Ideen identifiziert. Sie sind Pazifisten und somit gegen den Krieg. Sie sind gegen Gewalt und somit gegen die Todesstrafe. Sie sind gegen Konsum und befürworten daher einen einfachen Lebensstil, der auf Nachhaltigkeit basiert und der Umwelt zugutekommt. Es ist eine merkwürdige Kollision entgegengesetzter Kräfte, die bis heute die amerikanischen Mennoniten-Kirchen hinsichtlich der politischen Orientierung in zwei Lager spaltet. Manche Gemeinden sind Republikaner; andere Demokraten.
Auch wenn es auf den ersten Blick lächerlich scheint, dass die Amischen den Mennoniten den Rücken kehrten, weil sie ihnen zu liberal waren, hatte es seine theologische Berechtigung. Trotzdem amüsiert es mich, wenn ich mir vorstelle, dass die Amischen ein Problem mit dem bösen exzessiven Lebensstil der Mennoniten hatten. »Wir wollen eure weltlichen Schnitzel nicht, vielen Dank! Komm, Esther! Von jetzt an singen wir für uns allein!« Dabei würden beispielsweise mennonitische Jugendliche, ganz gleich wie experimentierfreudig sie sind, niemals auf die Idee kommen, etwas so potenziell Sündenhaftes wie Flaschendrehen zu spielen. Genauso wenig würden Mennoniten bei einer Gesangsveranstaltung irgendetwas anderes tun als zu singen! Mennoniten feiern keine Partys. Wir lassen nicht die Sau raus, bei uns steppt nicht der Bär. Wir bleiben auf dem Teppich, den wir selbst aus alten Lumpen geknüpft haben und der an die alten Flickenteppiche der Pioniere erinnert, die man in Landeskunde-Museen sieht.
Deshalb weiß ich ehrlich gesagt nicht genau, was der amische Rebell Jacob Amman an unserer bescheidenen Religion auszusetzen hatte. Wir Mennoniten waren verdammt heilig in jener frühen Zeit. Zum Beispiel gehörten wir zu den Leuten, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, wie Hexen, nur ohne das ganze erotische Drumherum. Bei Hexenprozessen wurde eine Leibesvisitation auf der Suche nach der sogenannten »Hexenzitze« durchgeführt, einem Teufelszeichen, an dem sich angeblich Satan labte. In Wahrheit handelte es sich häufig um einen Leberfleck oder den Atavismus einer dritten Brustwarze. Dem Aberglauben
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