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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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ganz bewusst. So wie die kleine Henriette Mendelssohn, kluge Tochter des großen Philosophen der Aufklärung, die schon seit Jahren in Paris lebte und dort erfolgreich ein Mädchenpensionat betrieb und Anlaufstelle nicht nur für deutsche Durchreisende war. Bis zu ihrer Verbannung durch Napoleon höchstselbst war sogar die berühmte Madame de Staël bei der kleinen »Jette« ein und aus gegangen.
    Und die große »Jette« Henriette Herz, gerühmt, Schönheit, Charme und Klugheit in einer Person zu verkörpern, berühmteste Salonière ihrer Zeit, war nach dem Tod ihres Mannes nicht nur gezwungen, ihren Lebensstandard erheblich einzuschränken und ihren Salon aufzugeben, sondern musste auch ihr eigenes Geld verdienen. Sie lebte mittlerweile als Privatlehrerin auf Rügen. Es war ein Freundschaftsdienst der Charlotte von Klathen gewesen, die berühmte Henriette Herz als Erzieherin für ihre Kinder anzuheuern. Deren Berliner Salon war einst das große Vorbild ihres selbst begründeten literarischen Kreises in Putbus.
    Einige Tage überlegte Eleonora, wo und wie sie sich erneut verdingen konnte. Ihre kleine Reserve schmolz bedrohlich zusammen. Ehe sie ohne einen Heller auf der Straße saß, musste sie sich entschieden haben. So schlecht die Zeiten auch waren, so schrecklich das Klagen über den Niedergang Preußens, ob der Unersättlichkeit, den Hunger und den Durst der französischen Einquartierungen und ob des allgemeinen Verfalls von Sitten, Moral und des Geldwerts, bestand immer noch, wenn nicht gar eine gesteigerte Nachfrage an Dienstboten, Dienstmädchen, Küchenmamsellen, Köchinnen, Gesellschafterinnen und Gouvernanten.
    Trotz ihrer bescheidenen Dienstbotenkleidung, dem Strickumhang und dem sorgfältig unter der Haube versteckten Haarschopf mied Eleonora bei ihrer Suche tunlichst, sich in die Nähe des Prewitzschen Palais zu wagen. Die Erinnerung an seine Bewohner schmerzte sie zu sehr.
    Charlotte, Sophie, Mademoiselle Durand, die gestrenge Madame Hortense – was aus all ihnen geworden war? Wie lange war Maestro Farini jetzt bereits tot? Ob Babette noch lebte? Wohin hatte es wohl den alten Grafen Ludovic verschlagen? Und die anderen Prewitzens, Gräfin Elisabeth und Graf Wilhelm? Angeblich waren sie im Tross des königlichen Gefolges gleichfalls nach Ostpreußen geflüchtet. So viel war auf dem Markt durch vorsichtiges Aushorchen zu erfahren gewesen. Beim Gedanken an Gräfin Elisabeth stieg in Eleonora wie stets eine Mischung aus Abscheu und Ekel hoch.
    Stand das Stadtpalais der Prewitzens nun leer?

23
    E leonora konnte sich kaum mehr erinnern, wann sie das letzte Mal ein richtig schönes Kleid getragen hatte. So eitel und putzsüchtig wie die Komtessen war sie niemals gewesen, aber Wert auf ein gepflegtes Äußeres hatte auch sie gelegt und legte sie immer noch. Wenn sie erst einmal wieder Gelegenheit hätte, Gräfin Dorotheas Zobel zu tragen, würde kein Mensch sie mehr für eine Köchin oder Dienstmädchen halten. Bei dem Gedanken an diesen Schatz fasste sie einen spontanen Entschluss. Sie würde ihrem Vater endlich einmal wieder einen Besuch abstatten. Denn dort in einem schlichten Kleiderschrank hing mittlerweile Gräfin Dorotheas Pelz, wohlverpackt in einem Leinensack, mit Kampfer und Lavendel gegen Mottenbefall und anderes Ungeziefer geschützt.
    Eleonoras Vater begrüßte seine Tochter so mürrisch wie üblich. Ihm lagen nun einmal keine großartigen Gefühlsausbrüche, aber hinter seiner brummigen Fassade versteckte sich ein weicher Kern. Eleonora wusste es nicht, sie fühlte es. War es nicht ein Zeichen von Liebe gewesen, seine Kinder nach der Rückkehr aus dem ersten Koalitionskrieg sofort aus dem Potsdamer Waisenhaus zu holen, obwohl er kaum wusste, wie er sie ernähren konnte? Eleonora konnte sich genau erinnern, wie erschüttert er gewesen war, als er vom Tod der kleinen Friederike erfahren musste. Nur sieben Jahre alt war ihre jüngere Schwester geworden. Nur noch schemenhaft konnte sie sich an sie erinnern. Genauso wenig wie an ihren Bruder. Lediglich das Gefühl eines unerschütterlichen Zusammenhalts war ihr noch gegenwärtig. Gemeinsam hatten sie unter den Schikanen und Repressalien, dem Hunger, der Not und der Kälte in dem Waisenhaus gelitten. Das hatte sie umso fester zusammengeschweißt. Was wohl aus Johannes geworden war? Eleonora hatte ihn gänzlich aus den Augen verloren.
    Ihr Vater sprach nicht über ihn, schwieg ihn einfach tot. Eleonora vermutete, dass ihr Bruder im Streit das Haus

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