Flamme der Freiheit
Schatulle wieder zurückgeben. »Ich nehme keine Geschenke an!«, erklärte er rauh. »Und Geldgeschenke schon gar nicht.«
»Es ist kein Geschenk«, versetzte Graf Alexander gelassen. »Es ist Ihr Geld.«
»Wieso mein Geld?«
»Es ist das Kostgeld, das Sie jahrelang für Ihre Tochter an Gräfin Dorothea gezahlt haben. Sie hatte es jedoch zurückgelegt, niemals einen Heller davon in Anspruch genommen, um so Eleonora eines Tages eine kleine Aussteuer mitgeben zu können.«
»Gräfin Dorothea, Großvater, meint er die Gräfin Dorothea, von der du mir erzählt hast?«, fiel ihm Rieke ins Wort.
Prohaska nickte stumm.
»Sie haben Rieke von meiner Großmutter erzählt?«, vergewisserte sich Graf Alexander.
Prohaska nickte nur wieder.
»Haben Sie auch …?«
Prohaska schüttelte den Kopf. Seine Miene war wie versteinert. Er brachte keinen Ton heraus, aber in ihm arbeitete es. Plötzlich machte er kehrt und marschierte in sein Haus zurück, erhobenen Hauptes, mit durchgedrücktem Rücken.
»Großvater, warum gehst du jetzt einfach weg?«, rief Rieke ihm nach.
Prohaska drehte sich nicht um, denn Rieke hätte sofort gemerkt, dass er weinte, und sie sollte seine Tränen nicht sehen. Verblüfft starrte diese ihm hinterher.
»Warum geht er einfach weg? Warum hat er dieses Kästchen erst abgelehnt und nun doch mitgenommen?« Mit gerunzelter Stirn schaute Rieke zu Graf Alexander empor.
Dieser antwortete nicht. Wie gebannt schaute er auf die hinter Prohaska ins Schloss gefallene Tür. Nur Sekunden später flog sie wieder auf. Ein völlig verwirrter Junge stolperte über die Türschwelle.
»Mach, dass du aus dem Haus kommst, du unbegabter Bengel!«, war aus dem Innern Prohaskas wütende Stimme zu hören. Ohne sich um Rieke und Graf Alexander zu kümmern, suchte der verängstigte neue Schüler das Weite.
»Was ist nur plötzlich in Großvater gefahren?«, wunderte sich Rieke. »Vorhin hatte er noch so gute Laune, und jetzt auf einmal …« Verständnislos schaute sie dem kopflos davonrennenden Jungen hinterher.
Graf Alexander hingegen behielt die offen gebliebene Tür im Auge. Man konnte Prohaskas schwere Schritte hören. Ruhelos schien er zwischen den kleinen Räumen hin und her zu wandern. War da nicht gerade ein Fluch zu hören? Und jetzt? Das klang ja wie ein unterdrücktes Schluchzen.
»Großvater weint«, stellte Rieke verängstigt fest. In ihrem Gesichtchen begann es verdächtig zu zucken.
Beruhigend strich Graf Alexander ihr über den Schopf.
»Er soll aber nicht weinen«, begehrte sie auf.
»Vielleicht muss er einfach weinen«, versuchte er Rieke zu beschwichtigen.
»Dann muss ich ihn trösten«, verkündete Rieke entschlossen und machte Anstalten, sich zu erheben.
»Du bleibst schön sitzen, du musst dein Bein noch schonen.« Graf Alexander zog sich den Schemel heran und nahm an ihrer Seite Platz. Beschützend legte er den Arm um ihre Schultern. »Ich passe jetzt auf dich auf.«
»Das sagt sonst immer nur Großvater zu mir«, stellte Rieke erstaunt fest.
»Dann ist es wirklich Zeit, dass das noch jemand zu dir sagt«, erwiderte Graf Alexander.
Beide hatten nicht bemerkt, dass Prohaska inzwischen auf der Türschwelle stand und diesen letzten Satz vernommen hatte. Stocksteif hielt er sich aufrecht, die Schatulle unter den Arm geklemmt. Nur mühselig schien er sich aus seiner Erstarrung lösen zu können. Mit schweren Schritten kam er auf sie zu. Gespannt schauten sie ihm entgegen. Vor Rieke blieb er stehen, räusperte sich, wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Stumm legte er ihr die kleine Schatulle auf den Schoß. Mit unbeholfener Geste strich er ihr über den Kopf, drehte sich abrupt um und marschierte davon.
»Großvater!«, rief Rieke, doch der schüttelte nur den Kopf und setzte unbeirrt seinen Gang fort. Sekunden später war er um die Hausecke verschwunden. »Warum geht er denn schon wieder weg?«, fragte sie verzweifelt. Sie war den Tränen nahe.
Graf Alexander rückte seinen Schemel noch ein Stück näher an sie heran. »Dein Großvater ist ein sehr kluger Mann. Er wollte uns Zeit für uns alleine lassen. Denn weißt du, Friederike Ulrika, ich muss dir jetzt eine Geschichte erzählen.«
Erneut legte er ihr den Arm um die Schultern. Spontan kuschelte sie sich in dessen Beuge.
»Magst du sie mir erzählen, bis Großvater wiederkommt?«, bat sie. »Hoffentlich ist sie nicht so traurig wie die von meiner Mutter.«
»Nicht ganz so traurig. Aber ob sie ein glückliches Ende nehmen
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