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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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verlassen hatte und zu den Soldaten gegangen war. Vielleicht lebte er inzwischen gar nicht mehr. Wie alt wäre er mittlerweile? Eleonora rechnete nach und erschrak. Wenn Johannes noch am Leben war, ging er mittlerweile auf die dreißig zu. Sie selbst war ja auch schon dreiundzwanzig. Eine alte Jungfer war sie mittlerweile. Ihre beiden Freundinnen waren schon lange Mütter geworden. Ach, Charlotte und Sophie!
    Wie stolz die beiden Schwestern bei ihrem letzten Besuch auf ihre Kinder gewesen waren. Der stämmige kleine bayerische Herzog und das genauso pausbäckige Zwillingspärchen kamen ganz nach ihrem Vater, während die zierliche Tochter von Charlotte mit ihrer blonden Zartheit schon fast etwas Ätherisches hatte. »Meine kleine Elfe« hatte Gräfin Dorothea sie zärtlich genannt und vergeblich versucht zu verbergen, dass die kleine Dorothea der Liebling unter ihren Urenkeln war. Vier Kinder waren es beim letzten Besuch der Komtessen in Berlin gewesen. Wie viele mittlerweile dazugekommen waren?
    Wohin mochte es die beiden Familien in diesen wirren Zeiten überhaupt verschlagen haben? Hatten Charlotte und Sophie jemals von ihrer Flucht erfahren? Hatten sie gar nach ihr gesucht? Oder Graf Ludovic? Hatte er sich nicht gewundert, Eleonora bei seiner Rückkehr aus Hannover nicht mehr im Haushalt der Prewitzens vorzufinden? Er war ihr doch stets in einer Art widerwilligen Zuneigung zugetan gewesen.
    Oder Balduin Schilling?
    Genug! Eleonora untersagte sich jegliche weitere Spekulationen und Grübeleien. All das lag nun schon Jahre zurück, hatte mit ihr nichts mehr zu tun, gehörte zu einem anderen Leben. Sie war schon lange nicht mehr Eleonora Prohaska, Protegé der hochangesehenen Gräfin von Prewitz zu Kirchhagen und junge Sängerin mit Aussicht auf eine große berufliche Zukunft, sondern Christine, ehemalige Köchin eines Apothekers aus Neuruppin und nunmehr auf Stellungsuche.
    Ihr Vater fragte nicht nach den Gründen, warum sie ihre Stelle dort aufgegeben hatte. Eleonoras Versuch, ihn zu Rate zu ziehen, ob sie nicht einmal etwas anderes versuchen sollte, schlug fehl. »Das musst du selbst wissen, da kann ich dir nicht bei raten. Damit kenne ich mich nicht aus.«
    Die Schwerfälligkeit des eigenen Vaters machte ihr bewusst, wie sehr sie sich danach sehnte, wieder einmal in diesem leichten Prewitzschen Ton eine gehobene Konversation zu machen oder sich mit irgendjemandem in einem hitzigen Disput zu ergehen, eben so, wie es im Hause der Prewitzens üblich gewesen war und sie es im Lauf der Jahre selbst gelernt hatte. Noch einmal die schwesterlichen Kabbeleien von Charlotte und Sophie hören zu dürfen. Wie oft hatte Eleonora sich beherrschen müssen, sich nicht beim Servieren bei Apothekers spontan in die Tischdebatte der anwesenden Honoratioren einzumischen. Nahezu körperliche Pein bereitete es ihr, wenn jemand etwas offenkundig Falsches behauptete, sie diese Behauptung hätte sofort widerlegen können, aber es sich verkneifen musste. Nicht nur einmal hatte sie sich auf die Zunge gebissen oder in letzter Sekunde eine Bemerkung verschluckt. Es wäre zu verräterisch gewesen. Schließlich hatte sie sich aber doch versehentlich verraten, indem sie sich bei einer Lektüre ertappen ließ, »bei der meine eigene Frau niemals auf den Gedanken gekommen wäre, überhaupt darin zu blättern«, hatte Apotheker Pistor gesagt. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er seine Köchin für ihre Anmaßung sogar empfindlich bestraft. Nur dank der Fürsprache des Hausarztes Dr. Semling war Eleonora glimpflich davongekommen.
    Voller Dankbarkeit dachte Eleonora an ihn zurück. Dr. Semling war ihr überaus wohlgesinnt gewesen, aber er bedeutete auch Gefahr für sie. Sein scharfer, nachdenklicher Blick war der Grund, warum sie so schnell Neuruppin verlassen hatte, hatte verlassen müssen.
    Ihre nächste Stelle verschlug Eleonora nach Frankfurt/Oder. Dem dortigen Pfarrer war die Frau plötzlich gestorben. Er benötigte eine tüchtige Haushälterin, die darüber hinaus auch die mit dem Tode der Pfarrfrau verwaisten Verpflichtungen übernahm. Der Küster der Gemeinde war in den Krieg gezogen und in einer der vielen Schlachten der vergangenen Jahre gefallen. Als der Pfarrer ihr beim Einstellungsgespräch offenbarte, dass sie daher auch die Aufgaben eines Küsters übernehmen müsse, hatte Eleonora nur gleichmütig genickt. Fast reibungslos fügte sie sich in den verwaisten Haushalt ein.
    Der Witwer trauerte tief um seine geliebte Frau. Über vierzig

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