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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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Branntwein und Bier flossen in Strömen. Es herrschte mehr ein Karnevalstreiben und die Stimmung eines fröhlichen Volksfestes als die Niedergeschlagenheit, die dem Untergang von Preußen angemessen gewesen wäre. Auf Napoleons Befehl hin wurde nur wenige Tage nach seinem triumphalen Durchzug die Quadriga auf dem Brandenburger Tor abgebaut. In ihre Einzelteile zerlegt und in zwölf Kisten verpackt, verfrachtete man sie als wertvolle Kriegsbeute nach Paris. Erfolgte ein Aufschrei der Empörung?
    Was als ein Akt der tiefen Demütigung inszeniert war, nahmen die Berliner mit Nonchalance. Kritischer standen sie ihrem eigenen König gegenüber. »Unser Dämel ist in Memel«, kommentierten sie lakonisch Flucht und Aufenthaltsort ihres preußischen Oberhaupts. Natürlich wanderte dieser Spruch hinaus in die Provinz, bis in das ferne Neuruppin. Als Eleonora diesen Satz das erste Mal zu Gehör bekam, schnitt es ihr ins Herz. Das war nicht nur respektlos, sondern unzutreffend. Aber wer von den Menschen auf der Straße kannte den König denn schon persönlich? Wahrscheinlich war Eleonora in Neuruppin weit und breit der einzige Mensch, der dem König jemals persönlich begegnet war. Zu gerne hätte sie die kichernde Dienstmagd gerügt oder die lärmende Herrengesellschaft im Rauchzimmer des Apothekers eines Besseren belehrt. Der König mochte ruhig, eher zurückhaltend sein, ein Mensch, der nicht gerne Entscheidungen fällte, aber ein Dämel war er nicht. Allein, Eleonora musste ihr besseres Wissen und diese lange zurückliegende Begegnung für sich behalten, wie sie so vieles in den Jahren ihrer Wanderschaft als Hausbedienstete für sich behalten musste. Nur ganz selten unterliefen ihr dabei Fehler. Aber wenn ihr einer passierte, geschah es mit verheerender Folge. So war es ein nicht wiedergutzumachender Fauxpas, sich in der Lektüre der Fichteschen Reden an die Nation zu verlieren. Sie war so vertieft, dass sie dass Herannahen der beiden Herren überhaupt nicht mitbekam.
    »›Sein Glaube und sein Streben, Unvergängliches zu pflanzen, sein Begriff, in welchem er sein eigenes Leben als ein ewiges Leben erfasst‹«, las sie halblaut mit. Es war keine einfache Sprache, die der gute Johann Gottlieb Fichte seinen Hörern und Lesern zumutete. Angestrengt dachte Eleonora nach, was er genau gemeint haben mochte. Offenkundig empfand er die französische Besatzungszeit etwas anders als die Mehrheit seiner Zeitgenossen. Nicht, dass die gesamte preußische Bevölkerung mit fliegenden Fahnen zu dem Regime Napoleons übergelaufen wäre. Aber so manche hübsche Preußin vermochte den Avancen eines schmucken französischen Offiziers auf Dauer nicht zu widerstehen. Napoleon hatte von seinen Soldaten ausdrücklich gutes Benehmen verlangt. Plünderungen waren verpönt. Grundsätzlich war diesen schon deshalb Vorschub geleistet, weil die französische Armee sich vorwiegend selbst verproviantierte und Requirierungen während der Feldzüge so gut wie möglich vermied. Bald wurden die Franzosen ob ihrer guten Manieren und ihres freundlichen Umgangstons sogar gelobt. Manch einfacher Soldat fand in der preußischen Hauptstadt oder auch auf dem Land nach seiner zunächst unwillig hingenommenen Einquartierung schließlich Platz am Familientisch, an dem man sich teilnahmsvoll seine Klagen über die Unbill und Qualen des Soldatenlebens und vergangener Schlachten anhörte. Mit ein paar französischen Brocken versuchte man die jungen Männer über ihr Heimweh hinwegzutrösten. Die wenigsten der einfachen Soldaten waren freiwillig in den Krieg gezogen und sehnten sein Ende genauso herbei wie ihre unfreiwilligen Gastgeber. Die höheren Offiziere fanden Zutritt in den wenigen in Berlin noch existierenden Salons. Sogar manche Dame des Hochadels ließ sich nicht ungern von einem hohen Offizier der französischen Armee hofieren.
    Diese Entwicklung in der preußischen Hauptstadt wiederum war Thema des Kaffeekränzchens bei Frau Apotheker gewesen. Frau Konsistorialrat hatte die Kunde davon direkt von ihrer letzten Reise aus Berlin mitgebracht.
    Eleonora widerstrebte dergleichen. Als Liebedienerei und rückgratlosen Opportunismus hätte ihre verstorbene Gönnerin ein solches Verhalten sicherlich bezeichnet, was schlichtweg reinen Pragmatismus darstellte. Was wohl Gräfin Dorothea zu diesen Zeiten gesagt hätte? Wie prophetisch waren doch ihre Worte nach der Niederlage von Austerlitz gewesen. Es hätte ihr bestimmt in der Seele weh getan, erfahren zu müssen, wie

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