Flamme der Freiheit
Jahre waren sie miteinander verheiratet gewesen. Die Ehe war kinderlos geblieben, umso fester waren die beiden miteinander verwachsen und inniger ihre Bindung gewesen.
Eleonora bekam unter dem Dach des Pfarrhauses eine kleine Kammer zugewiesen und blieb bei der Arbeit weitestgehend sich selbst überlassen. Als sie gefragt hatte, ob er ihr irgendwelche Anweisungen zu erteilen oder besondere Wünsche bezüglich der künftigen Haushaltsführung zu äußern hätte, hatte Pfarrer Behlow nur mit den Schultern gezuckt.
»Davon habe ich keine Ahnung, das hat doch alles immer meine Frau gemacht«, sagte er hilflos.
Dank Babettes und Madame Hortenses unerbittlicher Schulung und den mittlerweile in Neuruppin gewonnenen Erfahrungen gelang es Eleonora sehr schnell, den Pfarrhaushalt in den Griff zu kriegen. Sie kochte, buk, bügelte, hielt Öfen und Herde im Haus am Brennen, hackte Holz für den Kamin, versorgte Hühner und Gänse und kümmerte sich um den Gemüsegarten. Der Pfarrer ließ ihr freie Hand, redete ihr niemals rein, sondern bedankte sich jedes Mal höflich, wenn sie ihm das Essen brachte. Nach ein paar Wochen bat er sie sogar, gemeinsam mit ihm zu essen.
»Ich bin es einfach nicht gewohnt, so allein bei Tisch zu sitzen.«
Eleonora leistete dieser Aufforderung nur beklommen Folge, faltete aber brav die Hände zum Tischgebet, senkte den Kopf und murmelte die vertrauten Zeilen mit. Es dauerte nicht lange, bis sie ihre Befangenheit verlor. Zwar hatte der Pfarrer sie um ihre Gesellschaft gebeten, schien aber bei Tisch stets sofort ihre Anwesenheit zu vergessen. Meist brütete er dumpf vor sich hin, schreckte dann ab und zu aus seinen Gedanken auf und stellte ihr ein paar Fragen. Aber ehe Eleonora sie beantworten konnte, war er schon wieder in seine Grübeleien versunken. Nach dem Essen zog er sich in sein Studierzimmer zurück, um seine nächste Sonntagspredigt vorzubereiten oder sich in philosophischen Studien zu ergehen. Auch er besaß eine beeindruckende Bibliothek, der sich Eleonora jedoch hütete zu nahe zu kommen. So blieb sie die meiste Zeit sich selbst überlassen. Nur in einem war Pfarrer Behlow unerbittlich. Jeden Sonntag, jeden Feiertag und jeden Mittwoch, an dem er zu einem Vespergottesdienst lud, musste Eleonora ihrem Küsterinnendienst gewissenhaft nachkommen. Auf dem Altar hatte stets ein frisch gepflückter Blumenstrauß zu stehen, die Anzeigetafeln rechts und links des Altarraums hatten die korrekten Liednummern anzuzeigen, der Stapel der Gesangbücher musste akkurat an Ort und Stelle im Eingangsbereich liegen, die Bibel korrekt auf der Seite der Stelle aufgeschlagen sein, über die er an diesem Tag predigte. Gab es ein Abendmahl, hatte sie den Wein in eine silberne Karaffe zu füllen und die Oblaten auf einem silbernen Teller bereitzulegen. Die Noten für den Kantor musste sie in der Sakristei heraussuchen und ihm oben auf der Empore auf dem Notenständer der Orgel hinlegen. Es war nur eine kleine bescheidene Orgel, nicht zu vergleichen mit den imponierend kostbaren Meisterstücken der Orgelbauerkunst in Berlin oder Potsdam, aber sie tat ihre Dienste. Es gab auch einen Kirchenchor, der jedoch fast nur noch aus Frauen bestand, weil die Männer alle eingezogen waren. Zu guter Letzt erwischte es dann auch noch den Kantor. Damit stand der Chor ohne Leiter und die Gemeinde ohne Organisten dar.
»Das geht doch überhaupt nicht. Einen Gottesdienst ohne Kirchenchor kann ich mir ja gerade noch so denken, aber ohne Orgelbegleitung? Ein Ding der Unmöglichkeit!«, regte sich Pfarrer Behlow auf. Zum ersten Mal schien er aus seiner Lethargie erwacht. Haare raufend marschierte er in seinem Studierzimmer auf und ab. Vor dem lebensgroßen Porträt seiner Frau über dem Kamin blieb er stehen. »Sag mir, was ich machen soll, Anna?«, flehte er. Anna lächelte nur und schwieg.
Eleonora beobachtete ihn verstohlen. Er hatte soeben nach ihr geklingelt, aber was er von ihr wollte, ahnte sie nicht.
»Kannst du nicht die Orgel bedienen?«, erkundigte sich Pfarrer Behlow. »Ich habe dich ein paarmal in der Küche singen hören. Du scheinst eine recht hübsche Stimme zu haben. Ein paar Akkorde beherrsche ich auch, die könnte ich dir bis Sonntag beibringen.«
»Eine Orgel bedient man nicht, die spielt man«, entgegnete Eleonora.
»O, là, là, was war denn das? Die Mamsell erlaubt sich, mich zu belehren?«
Eleonora biss sich auf die Lippe. Sie hätte sich ohrfeigen können. Stets war sie auf der Hut, passte auf, dass
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