Flamme der Freiheit
Blick zu.
»Was sage ich da, einen Gast«, verbesserte sich Alexander lächelnd. »Die ursprüngliche Bewohnerin ist zurückgekehrt. Willkommen in deinem alten Zuhause, Eleonora.« Er verbeugte sich, nahm ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss darauf. Das hatte er noch niemals getan.
Der Haushalt lief reibungslos und vollkommen wie eh und je, nachdem Alexander offiziell das Palais übernommen hatte. Seine Großmutter hatte es ihm unter Ausschluss der üblichen Erbfolge testamentarisch direkt vererbt. Seinen Eltern stand daher nur noch ein lebenslanges Wohnrecht in der zweiten Etage zu.
»Ich musste meiner Mutter gegenüber ganz schön energisch werden, denn sie hatte es sich in den Gemächern meiner Großmutter schon recht gemütlich gemacht«, berichtete er beim mitternächtlichen Souper. Eleonora erzählte ihm nicht, dass sie seine Mutter das letzte Mal langgestreckt und kreischend auf der Récamiere seiner Großmutter gesehen hatte. Lieber ließ sie es sich schmecken.
In der Küche musste wieder ein Künstler oder eine Künstlerin das Zepter übernommen haben, denn das Menü war ein Gedicht. Das Forellenfilet war zart, nur ganz mild geräuchert, die Meerrettichsahne süß und scharf zugleich, dazu frisch gebackenes Baguette mit leicht gesalzener Butter. Es folgte ein Omelett mit frischen Pfifferlingen, das sie selbst nicht besser hinbekommen hätte.
»Die ersten frischen Pfifferlinge dieses Jahres«, erklärte Alexander, als er ihren entzückten Blick bemerkte. »Heute Morgen mit der Kutsche aus Neu-Prewitz eingetroffen.«
Neu-Prewitz! Schloss Sophienhof! Eleonoras Herz wurde weit und schwer zugleich.
»Mit Anton?«, erkundigte sie sich hastig, um sich nicht von ihren Emotionen überwältigen zu lassen.
Alexanders eben noch lächelndes Gesicht wurde schlagartig ernst.
»Anton wurde eingezogen und ist in Auerstedt gefallen«, sagte er traurig.
»Wie schrecklich! Er war doch noch so jung.« Eleonora war entsetzt.
»Darauf nimmt der Krieg keine Rücksicht, ob jung oder alt, er frisst sie alle auf. Ich kann nur von Glück reden, dass ich bisher einigermaßen glimpflich davongekommen bin und mir meine frühere Verletzung alle weiteren Einsätze an der Front ersparte.« Alexander klang verbittert, sein Lächeln hatte sich verflüchtigt.
»Wenn ich ein Mann wäre, würde ich immer nur an vorderster Front kämpfen«, entfuhr es Eleonora. Alexander schrak aus seiner Grübelei hoch. Sekundenlang schien er fast desorientiert und gar nicht mehr zu wissen, wo er war, wer sie war. »Alexander«, rief sie leise. Sein Anblick war ihr plötzlich unheimlich. Er fuhr sich mit der Hand über Stirn und Augen, und schon war es wieder da, das unwiderstehliche Lächeln des jungen Grafen von Prewitz zu Kirchhagen, das Eleonora bereits als Siebzehnjährige weiche Knie verursacht hatte. »Nur an vorderster Front, etwas anderes käme für mich überhaupt nicht in Frage«, wiederholte sie umso kühner, um von ihrer Nervosität abzulenken.
»Du bist wirklich eine richtige Kämpferin, Eleonora. Nein, es überrascht mich nicht und stört mich schon gar nicht«, nahm er den Gesprächsfaden von vorher wieder auf. »Es gefällt mir sogar. Du bist so ganz anders als die anderen Frauen, die mir bislang begegnet sind und mein Leben begleiteten.«
Jetzt wäre eigentlich die Gelegenheit gewesen, die Frage zu stellen, die Eleonora schon seit Stunden im Geiste beschäftigte, ja, geradezu quälte.
»Es müssten ja inzwischen so einige gewesen sein«, sagte sie stattdessen spitz.
Alexander lachte. »Aber bislang ist es noch keiner gelungen, mich an die Kette zu legen«, erwiderte er gut gelaunt.
»Würdest du dich denn überhaupt an die Kette legen lassen?«, erkundigte sich Eleonora mit gespielter Beiläufigkeit. Gott sei Dank bekam er nicht mit, wie sie unter dem Tisch ihre Damastserviette zerknautschte.
»Wenn die Richtige käme, warum nicht? Die mir zugedachte Karoline hat sich ja anderweitig entschieden.«
»Ist sie immer noch glücklich mit ihrem sizilianischen Conte?«, erkundigte sich Eleonora vorsichtig. Mit welchem Genuss hatte ihr Gräfin Dorothea damals deren hochdramatische Liebesgeschichte erzählt.
»Ob glücklich oder nicht, sie ist lebenslänglich an ihn gebunden.« Das Schicksal seiner Jugendfreundin schien Alexander nicht sonderlich zu interessieren. Er knabberte genüsslich an einer Erdbeere. »Nimm dir, die sind heute auch frisch vom Sophienhof eingetroffen«, forderte er sie auf und reichte ihr eine gläserne Schale
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