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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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mit tiefroten Früchten. »Du musst einmal daran riechen.«
    Eleonora beugte den Kopf über die Erdbeeren. Ganz tief sog sie den Duft der frischen Früchte in sich auf. Was für ein Geruch! Sie fühlte sich in die glücklichsten Jahre ihrer Kindheit und frühen Jugend zurückversetzt – Sophie, Charlotte, Babette, der alte Jean und der brummige Christian, die zwei kichernden Zofen, die sich nach wenigen Tagen Sophienhof wieder in die beiden robusten Landmädchen Emma und Paula verwandelten und zurück in ihre Holzpantinen schlüpften.
    »Karoline hat mir sogar mal einen Heiratsantrag gemacht, den ich aber abgelehnt habe. Das wird sie mir niemals verzeihen.« Alexander hatte es sich inzwischen gemütlich gemacht. Den Uniformrock, den er anlässlich der Beerdigung getragen hatte, hatte er längst abgelegt und trug nun eine Weste aus dunkelblauer Seide über einem weißen Hemd, dessen Kragen er auch schon gelockert hatte. Lässig lehnte er auf seinem Stuhl zurück, begann jetzt auch damit zu kippeln und betrachtete sie nachdenklich.
    »Wenn das deine Großmutter sehen würde«, rügte Eleonora ihn.
    »Was denn?«, fragte er zurück. Aber dann besann er sich und nahm wieder eine korrekte Sitzhaltung ein. »Ist das jetzt richtig?«
    »Comme il faut«, bestätigte Eleonora ihn und nickte.
    »Warum bist du eigentlich nicht verheiratet, Eleonora?«
    Sie zuckte zusammen. »Mich nimmt doch keiner mehr, ich bin mittlerweile fünfundzwanzig, eine alte Jungfer«, behauptete sie.
    »Papperlapapp«, widersprach Alexander im Ton seiner Großmutter. »Eine so schöne Frau wie du. Dir müssten die Männer doch in Scharen zu Füßen liegen.«
    »Wenn sie es tatsächlich täten, sollten sie sich auch mal irgendwie bemerkbar machen«, entgegnete sie trocken.
    »Vielleicht willst du sie einfach nicht sehen«, sagte Alexander gedehnt. »Oder sie sind dir nicht gut genug. Vielleicht war einfach noch nicht der Richtige dabei.«
    »Nicht wahrscheinlich, sondern ganz bestimmt«, ging Eleonora auf seine Plänkelei ein. Aber die Serviette unter ihrem Tisch war mittlerweile schweißnass.
    »Hast du schon viele Männer geküsst, Eleonora?«
    Eleonora erstarrte. »Nein, noch keinen …«
    »Noch keinen?«, wiederholte Alexander perplex.
    »Dich«, flüsterte sie.
    »Und ich bin niemand? Bin ich wirklich niemand für dich, Eleonora?«
    Alexander hatte sich erhoben und kam um den Tisch herum auf sie zu. Eleonora schaute ihm entgegen. Sie war wie gelähmt. Als er sie nun von ihrem Stuhl zu sich emporzog, kam sie sich vor wie eine gelenklose Gummipuppe. Jeglicher Widerstand war in ihr erloschen.
    »Du hast noch keinen geküsst?«
    »Du hast mich nicht zu Ende reden lassen. Ich wollte sagen …« Die Stimme brach ihr weg.
    »Was wolltest du sagen?«, fragte er leise und strich ihr zärtlich über die Haare.
    »Ich wollte sagen, ich habe noch keinen geküsst außer dir.« Sie musste schlucken. Welch eine Überwindung hatte sie dieser Satz gekostet.
    »Das wollte ich hören«, sagte Alexander. »Genau diesen Satz wollte ich hören, hatte ihn mir erhofft, hatte ihn erwartet.«
    Dann küsste er sie auf den Mund, auf die Stirn, auf die Wangen, nahm ihre Hände und küsste sie, drehte sie um und küsste die pulsierende Stelle am Handgelenk. Aber Eleonora schämte sich ihrer Hände, denen die Arbeit der vergangenen Jahre anzusehen war, und wollte sie ihm entziehen.
    »Nein, nein, Eleonora, nicht, lass es, ich liebe deine langen, schmalen Hände. Die Spuren deiner Arbeit kannst du mit Stolz und Würde zeigen«, widersprach er leidenschaftlich und küsste sie erneut.
    »Sie sind aber nicht so weich und zart wie früher und wie die der feinen Damen, deren Hände du sonst küsst«, flüsterte Eleonora.
    »Sie sind aber das Zeichen deiner Unabhängigkeit, deines Stolzes, deines Freiheitsdrangs, du darfst dich ihrer nicht schämen.«
    »Ich tue es aber«, erwiderte Eleonora trotzig und versuchte ihre Hände hinter dem Rücken zu verstecken. Mit zärtlicher Geste zog er sie wieder hervor. Er nahm ihre Hände in seine und betrachtete sie eingehend. Er drehte sie hin und her, strich mit dem Daumen über den Handrücken, ließ seine Finger spielerisch über die Handteller tanzen, so zart, als ob sich ein Schwarm Schmetterlinge auf ihnen niedergelassen hätte. »Bitte lass das!«, sagte sie mit schwacher Stimme.
    »Wirklich?«, fragte er und zeichnete mit dem Zeigefinger die Konturen ihrer Wangen nach, ehe er zärtlich auf ihre Nasenspitze tippte. »Willst du wirklich,

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