Flamme der Freiheit
Champagner war gestern wirklich köstlich«, erzählte Charlotte begeistert.
»Mir hat er auch hervorragend gemundet«, plapperte Sophie aufgeregt. »Er hat mir beim Walzer so richtig Schwung gegeben.«
»Beinahe wärst du hingefallen, weil du zu viel Veuve cliquot getrunken hast.«
»Mir war vom Drehen schwindlig, aber Prinz Louis Ferdinand hat mich aufgefangen«, erzählte Sophie.
»Das war nicht Louis Ferdinand, das war dein Bruder. Da kann man mal sehen, wie betrunken du warst«, widersprach Charlotte.
»Mais, Charlotte, je t’en pries!«, ließ Gräfin Elisabeth pikiert verlauten.
»Sophie hat wohl einen winzigen Schwips gehabt, aber Alexander hat früh genug eingegriffen und seine Schwester erst einmal zum Büfett geführt und ihr etwas Kräftiges zu essen gegeben«, meinte Gräfin Dorothea begütigend.
»Er hat mich gezwungen zu essen, regelrecht gezwungen, aber die Entenstopfleberterrine war wirklich köstlich und danach noch Königinpastetchen. Und anschließend hat er mir seinen Freund, den Herzog von Lichtenfels, vorgestellt.« Über Sophies Gesicht glitt ein Strahlen, das einer stillen Versunkenheit wich.
»Aha!«, machte Charlotte nur bedeutungsvoll. »Ich habe mich sehr gefreut, dass Alexander eigens aus Straßburg zu unserem Debüt angereist kam«, setzte sie hinzu. »Wo ist er eigentlich? Wollte er nicht heute mit uns speisen?«
Bei der Nennung seines Namens begann Eleonoras Herz schon wieder zu klopfen. Sie fühlte, wie ihr das Blut zu Kopfe stieg. Da, wo es am meisten brannte, hatten seine Lippen sie berührt. Sie bemerkte, wie Gräfin Dorothea sie beobachtete.
»Vielen Dank, dass du mir mit den beiden Mädchen den Retikül ins Schloss gebracht hast«, sagte sie.
»Gern geschehen«, murmelte Eleonora.
»Das war ja ein Zufall, dass du ausgerechnet Alexander direkt an der Kutsche der Marwitzens über den Weg gelaufen bist«, setzte die Gräfin bedeutungsvoll hinzu.
»Ja, ein Zufall war es wirklich«, wiederholte Eleonora lahm.
»So konnte er mir den Retikül direkt geben. Dass er mich in dem Ballgetümmel so schnell entdeckt hat, war auch ein Zufall. Das heißt, Karoline hat mich entdeckt. Sie hat die scharfen Augen meiner Freundin geerbt. Ein hübsches Mädchen«, sagte die Gräfin, »und so klug.«
»Ich kann sie nicht leiden«, platzte Sophie hervor. »Sie hat mich als Kind schon immer geärgert.«
»Ich finde sie auch arrogant«, pflichtete ihr ihre Schwester ausnahmsweise bei.
»So viel Einigkeit zwischen euch ist ja außergewöhnlich«, dröhnte Graf Ludovic.
»Besteht denn auch Einigkeit bezüglich des Grafen Lichtenfels?«, witzelte Graf Wilhelm.
»Ich finde ihn langweilig«, verkündete Charlotte. »Da würde mir Louis Ferdinand viel besser gefallen, aber der soll ja was mit Friederike haben.«
»Mais, Charlotte, je t’en pries!«, schrie Gräfin Elisabeth auf.
»Wenn ich eine Frau wäre, würde ich diesen feschen Preußenprinzen auch allen anderen blutlosen Kerlen am Hofe vorziehen«, tat nun der alte Graf kund.
Und das verschlug nun allen die Sprache. Es dauerte eine Weile, bis die Konversation wieder einsetzte, denn man war ja auch mit dem Essen beschäftigt.
»Dass Alexander nicht kommt«, wunderte sich seine Mutter.
»Er hat es nicht so mit der Pünktlichkeit«, meinte sein Vater.
»Vielleicht musste er ja auch bei Karoline zum petit déjeuner erscheinen«, mutmaßte Charlotte.
Eleonora verspürte einen schmerzhaften Stich in der Nähe ihres Herzens. Sie wurde blass.
»Alexander musste schon wieder zurück zu seiner Garnison reisen«, erklärte die Gräfin. »Aber er lässt alle herzlich grüßen. Besonders dich, Eleonora. Ich soll dir ausrichten, dass du deine Stimme schonen und schulen sollst. Und …« Sie hielt inne, machte eine kleine Kunstpause, ehe sie fortfuhr: »Ich soll dir sagen, dass du noch schöner geworden bist.«
Es war ein leises Klopfen, das Eleonora aus ihrer unbeschreiblichen Verlegenheit erlöste. Behutsam trat Jean ein, ging mit vorsichtigen Schritten zu Gräfin Dorothea, beugte sich über sie und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
»Oh«, machte diese betroffen, tupfte sich die Mundwinkel ab und faltete ihre Serviette sorgfältig zusammen. Minutenlang starrte sie grübelnd darauf, ehe sie den Blick wieder hob und in die Runde schaute. »Ich habe euch leider die traurige Mitteilung zu machen, dass unser verehrter Maestro Farini heute Nacht verschieden ist.« Ihre Stimme war ruhig und beherrscht, aber sie war außergewöhnlich blass in
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