Flamme der Freiheit
ihrerseits das von Vater Prohaska gezahlte Kostgeld auch seit Jahr und Tag angespart hatte. Für eine einfache Unteroffizierstochter war Eleonora schon fast als vermögend zu bezeichnen.
Nur, dass sie selbst nichts davon ahnte. Aber Gräfin Dorothea dachte an die musikalische Zukunft ihres Schützlings. Wollte sie eines Tages auf den großen Opernbühnen Europas brillieren, benötigte sie auch die entsprechend aufwendigen Kostüme. Dafür hatten die Sängerinnen stets selbst aufzukommen. Sie erinnerte sich noch gut an das Gespräch mit der Castegnetti, der Primadonna assoluta der Prager Oper, die sich einmal bei einem nächtlichen Souper im Palais des Fürsten Schwarzenberg über die immensen Kosten für ihre Bühnenkostümierung beklagte.
Farinis Testament hatte noch einen Wunsch enthalten. Eleonora möge bei seiner Trauerfeier singen.
Es war eine kleine, aber sehr würdige, bewegende Feier gewesen, mit der Maestro Farini in der Hauskapelle des Prewitzschen Stadtpalais verabschiedet wurde. Er hatte sich die Arie der Eurydike gewünscht. Unter Auferbietung ihrer ganzen Selbstbeherrschung war es Eleonora gelungen, diesen letzten Wunsch ihres alten Lehrers zu erfüllen. Kollegiale Hilfestellung bot ihr dabei der junge Konzertmeister Balduin Schilling, der sie auf dem eigens in der Kapelle aufgestellten Cembalo begleitete.
Diesen jungen Musiker, der einst sein Schüler gewesen war, hatte Farini auch als seinen Nachfolger bei Eleonora bestimmt. Mittlerweile war dieser zum Konzertmeister an der Berliner Oper aufgestiegen. Seine Zeit war daher nur sehr spärlich bemessen und erlaubte ihm nicht, regelmäßig im Stadtpalais zu erscheinen, um Eleonora zu unterrichten. Nach langem Hin und Her hatte die Gräfin schließlich eingewilligt, dass ihr Schützling dreimal in der Woche zum Opernhaus ging, um dort in einem der Übungszimmer von Konzertmeister Schilling Unterricht erteilt zu bekommen. Natürlich stets in Begleitung, meist war es eine der beiden Zofen, Emma oder Paula.
Die hatten sich mittlerweile zu zwei vorbildlichen, unverzichtbaren guten Geistern des Hauses entwickelt, fühlten sich schon fast mehr als Berlinerinnen denn als märkische Fischerstöchter und trugen ihre Näschen bei den Sommerbesuchen auf Schloss Sophienhof entsprechend hoch. Das dauerte aber nur immer knapp eine Woche, bis ihnen Geschwister und Eltern den Kopf wieder gerade auf die Schultern gesetzt hatten. Bei ihrer Rückkehr in das Stadtpalais hatte dann Madame Hortense ihre liebe Not, diese beiden im märkischen Sand etwas stumpf gewordenen Perlen wieder glatt zu polieren. Aber es gelang ihr jedes Mal erfolgreich von neuem.
So waren die Jahre ins Land gegangen.
Eleonora war inzwischen zwanzig Jahre alt, kein blutjunges Mädchen mehr, sondern eine wunderschöne junge Frau, die über ein beachtliches musikalisches Repertoire verfügte. Sie spielte mittlerweile sogar ganz passabel Klavier. Eigentlich saß sie jeden Tag an dem großen Flügel, um die Partituren, die sie mit Balduin Schilling einstudierte, schon einmal zu üben.
Aber an diesem Nachmittag ertappte sie sich dabei, dass sie plötzlich etwas ganz anderes spielte, als auf dem Notenblatt stand. Eleonora neigte den Kopf und lauschte den von ihr unbewusst erzeugten Tonfolgen nach. Das war ja die Klaviersonate von Beethoven, die Maestro Farini bei einer ihrer letzten Begegnungen gespielt und fast verschämt bekannt hatte, ein Bewunderer dieses jungen stürmischen Genies zu sein.
Wie die stets so redselige Rebecca Friedländer neulich beim Tee im Salon der Gräfin als neueste Nachricht aus Wien mitbrachte, war der Komponist mittlerweile mit dem Schreiben seiner dritten Symphonie beschäftigt und hatte tatsächlich auch schon eine Oper komponiert.
Fidelio
lautete der bisherige Name dieses Werks.
Hatte Maestro Farini also das richtige Gespür gehabt, obwohl Beethoven kein Italiener war? Eleonora lächelte ein bisschen wehmütig bei der Erinnerung an ihren verstorbenen Lehrer. Nach seinem Tod war es stiller im Hause Prewitz geworden.
Noch stiller wurde es, als auch die beiden Komtessen gingen. Schon unmittelbar nach dem Debüt und trotz der offiziell angesetzten Trauerzeit für Farini war den Komtessen erlaubt worden, weiterhin Bälle, Soireen und Theateraufführungen zu besuchen. Kein halbes Jahr nach dem Debüt der Komtessen am Preußischen Hof und der denkwürdigen Begegnung zwischen Sophie und dem jungen Grafen von Lichtenfels waren diese auch schon verlobt. Nach einer angemessenen
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