Flamme der Freiheit
diesem Augenblick.
[home]
Teil II
11
E leonora saß am großen Flügel des »neuen Musiksalons« und spielte verträumt vor sich hin. Eigentlich gab es ja schon einen Musiksalon im ersten Stock. Aber seit Gräfin Dorothea veranlasst hatte, ihr geliebtes Instrument Eleonora zur Verfügung zu stellen und damit auch seinen weiteren Verbleib im Salon der Enkelinnen und Eleonoras, hatte sich im Verlauf der Jahre diese Bezeichnung im Berliner Stadtpalais fest eingebürgert.
Das war nun aber auch schon eine Weile her. Wie oft hatten die drei Mädchen in trauter Runde in dem Musiksalon lange nach der offiziell verkündeten Bettruhe noch zusammengesessen. Während Eleonora im Lichte einer Petroleumlampe die Notenblätter ihrer nächsten musikalischen Herausforderung studierte, steckten Charlotte und Sophie die Köpfe zusammen, um sich über den neuesten Tratsch und Klatsch der feinen Berliner Gesellschaft auszutauschen. In den Wochen nach dem offiziellen Debüt der Komtessen fiel selbst Eleonora auf, dass der Name des jungen Herzogs zu Lichtenfels sehr häufig Erwähnung fand. Und noch sogar im schwachen Licht der meist blakenden Petroleumlampe war nicht zu übersehen, dass Sophies niedliches Pausbackgesicht sich bei der Erwähnung dieses Namens stets verdächtig rötete.
Sophie und der Herzog waren sich beim Debüt der Schwestern am Preußischen Hof zum ersten Mal begegnet und sofort füreinander entflammt. Der plötzliche Tod von Maestro Farini hatte einem schnellen Wiedersehen der beiden zum großen Bedauern der jüngeren Komtesse entgegengestanden.
»Er ist zwar kein Prewitz, aber eine angemessene Trauerzeit steht ihm einfach zu«, hatte Gräfin Dorothea kategorisch verkündet. Zum größten Kummer ihrer beiden Enkelinnen erklärte sie sogar die im Berliner Stadtpalais bereits geplanten Festivitäten einschließlich des großen Maskenballs für hinfällig. »Über zwanzig Jahre hat der Maestro bei uns im Hause gelebt. Ja, er gehörte doch fast schon zur Familie. Da geziemt es sich nicht, hier keine zwei Monate nach seinem Tod einen Maskenzauber zu veranstalten, zu dem ihr das Tanzbein schwingt.«
»Der Maestro liebte Bälle über alles, er hätte bestimmt nichts dagegen«, wagte Charlotte aufzumucken.
»Doch ich habe etwas dagegen«, erwiderte ihre Großmutter. »Aber ich erlaube euch, einige Einladungen außer Hause anzunehmen«, lenkte sie rasch ein, als sie die langen traurigen Gesichter ihrer Enkelinnen sah.
Eleonora fand die Entscheidung der Gräfin richtig. Obwohl sie es nach außen hin nicht zeigte, hatte sie der Tod des Maestros sehr getroffen. Sie hatte mehr als nur einen Lehrer verloren. Ihr war, als wäre eine wichtige Säule ihres Lebens weggebrochen. Der Maestro war ihr musikalischer Förderer und liebevoller Betreuer gewesen. Ab der ersten Minute ihrer Begegnung von ihrer Begabung überzeugt, hatte er ihr eine große musikalische Zukunft prophezeit und sogar für die Zeit nach seinem Tode an seine Lieblingsschülerin gedacht. Wie würde es mit ihr weitergehen? Wo könnte sie einen neuen Lehrer finden. War Gräfin Dorothea überhaupt weiterhin bereit, ihr die Stunden bei einem neuen Lehrer zu finanzieren?
Farini schien seinen Tod schon seit Wochen vorausgeahnt zu haben, denn man fand einen fast zwei Monate alten Brief auf seinem Schreibtisch, in dem er ein kleines Testament verfasst hatte.
Eindringlich bat er Gräfin Dorothea darum, nicht im kalten Deutschland beigesetzt zu werden, sondern man möge ihn verbrennen und eine Urne mit seiner Asche nach Italien überführen.
Eleonora war zutiefst gerührt zu erfahren, dass er ihr sein Notenarchiv vermacht hatte und einen Teil seiner Ersparnisse. Die Apanage, die er von den Prewitzens bezogen hatte, war keineswegs üppig gewesen. In dieser Hinsicht war die Gräfin Preußin durch und durch, also sparsam, aber niemals geizig. Was Logis und Verköstigung anbelangte, hatte Farini keinerlei Grund zur Klage, nicht zu vergessen die Wertschätzung, die ihm in diesem Haus entgegengebracht wurde. Im Alter, nachdem er der holden Weiblichkeit resigniert abgeschworen hatte, war es ihm daher gelungen, ein erkleckliches Sümmchen beiseitezulegen, das er zur einen Hälfte seiner Schwester und ihrer Familie auf Sizilien und zur anderen Hälfte seiner »Signorina Nora« vermachte.
»Das legst du zunächst einmal schön beiseite, vielleicht kannst du es später einmal gut gebrauchen«, befahl Gräfin Dorothea und behielt dabei wohlweislich für sich, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher