Flamme der Leidenschaft - Roman
inspirierten Fassaden fast lächerlich wirkten. An einer Seite ragte die St. Paul’s Church mit ihrem strengen, deplatziert römischen Säulenvorbau empor, während sich drei parallele Arkaden durch die Mitte des Platzes erstreckten, erfüllt von Lärm, Chaos und den Abfällen des Gemüse- und Blumenmarktes.
Es gab keinen Grund, hier anzuhalten, denn die Kutsche hätte Charles um die Ecke zur Vorderfront der Royal Italian Opera bringen können. Aber der Tumult des Marktes hatte ihn schon immer magisch angezogen, jetzt mehr denn je, weil er nach dem Tod des Vaters ein so konservatives, bedrückendes Leben führte. Der Baron öffnete den Wagenschlag und sprang auf das Pflaster, ohne das Trittbrett hinabzulassen.
Unter seinen Stiefeln spürte er vergammeltes Verpackungsstroh und feuchte Gemüseabfälle. Etwa fünfzig
Marktbuden reihten sich auf dem offenen Platz aneinander, von Händlern betrieben, die sich keine Standorte in den geschützten Arkaden leisten konnten.
An diesem späten Nachmittag waren die Ladentische bereits halb leer. Doch der Platz wimmelte immer noch von Großhändlern, Gemüse- und Fischverkäufern, Straßenjungen und Blumenfrauen, der ganzen Palette niedriger Gesellschaftsschichten, dem prüfenden Auge eines Amateurwissenschaftlers dargeboten.
Charles ging zur Mitte des Platzes und folgte der Galerie zwischen zwei Arkaden. Um diese Jahreszeit gab es kein frisches Gemüse mit guter Middlesex-Erde an den Wurzeln. Aber man konnte Zwiebeln, Rüben und Kartoffeln kaufen, noch staubig von der Lagerung in den Silos. Für die Tafeln der Reichen wurden Früchte sorgfältig gehütet. Auf manchen Tischen häuften sich die reisemüden Produkte aus wärmeren Klimazonen, mit weißem Frost bedeckt. Billige Treibhausblumen ließen in der kalten Luft die schweren Köpfe hängen, die Blätter und Blüten sorgsam mit Drähten verstärkt, damit sie Wagenfahrten und überheizte Salons eine Zeit lang überleben würden.
Bevor Charles die Floral Hall betrat, einen dumpf schimmernden Bau aus Eisen und Glas, wich er einer Frau aus, die einen Apfelkorb auf dem Kopf trug. In der warmen Halle verkauften distinguierte Händler ihre seltenen, kostbaren Blumen. Vornehme Damen inspizierten das Angebot und gaben Bestellungen für ihre nächsten Dinnerpartys oder Bälle auf. Höflich nickte er der Countess of Rushworth zu, die wie üblich von ihrer blassen, scharfsichtigen
Tochter begleitet wurde. Danach begrüßte er Mrs Algernon Morel, die zweifellos nichts Gutes im Schilde führte. Doch er blieb erst vor seinem Lieblingsstand stehen, um die gewohnte Ansteckblume zu erwerben, eine diskrete und sehr teure Orchidee mit einem unaussprechlichen Namen, an der er Gefallen gefunden hatte. Dann durchquerte er die Halle, erreichte die Straße und wandte sich zur weißen Fassade des renovierten Opernhauses, das neben den verrußten Nachbargebäuden jungfräulich wirkte.
Mit schnellen Schritten stieg er die Eingangsstufen hinauf und betrat das Foyer. Wie vereinbart, wurde er von Mr Larson erwartet, der sich eher lustlos mit Sir Nathaniel Dines und Lord Gifford unterhielt. Charles teilte mit Dines und Gifford ein dilettantisches Interesse an der Kunst. Allerdings hatte eine besonders bissige Dame behauptet, sie würden eher die Sängerinnen als die Opern goutieren.
Charles ging zu den Gentlemen. Nach der Begrüßung führte Mr Larson die Besucher respektvoll in den halbdunklen Zuschauerraum, wo der Lüster nur teilweise brannte. Sie folgten seinem unscheinbaren dienstbaren Geist mit einer kleinen abgeschirmten Laterne zu einer der vorderen Reihen, weit genug von der Bühne entfernt, um einen Blickkontakt mit den Künstlern zu vermeiden, aber so nahe, dass sie alle Ereignisse beobachten konnten.
Nicht zum ersten Mal fragte sich Charles, wie es wäre, eine Vorstellung auf gleicher Höhe mit der Bühne zu genie ßen, statt aus der Edgington-Loge hinabzuschauen. In einem Plüschsessel zurückgelehnt, saß er zwischen Mr Larson und Dines.
Nur die mittleren Rampenlichter brannten und beleuchteten das Bühnenbild für den ersten Akt von »Oberon«, der Oper, die an diesem Abend aufgeführt werden sollte. Charles betrachtete einen fantastischen, märchenhaften Wald. Dann sah er sich im Zuschauerraum um, wo die kaum erhellten Silhouetten der vielen hundert Sitze nicht leer, sondern erwartungsvoll erschienen. Normalerweise genoss er solche Momente, wenn die Luft von knisternder Spannung erfüllt und die leere Bühne für den Auftritt einer
Weitere Kostenlose Bücher