Flamme der Leidenschaft - Roman
Sängerin bereit war, die vielleicht zur nächsten großen Primadonna avancieren würde, oder eines unbegabten Mädchens mit unvernünftigen Ambitionen. Aber an diesem Tag konzentrierte er sich auf den Plan, die Wette gegen seine Schwester zu gewinnen.
»Gestern bekam ich einen interessanten Brief von Miss Crossham«, erklärte Lord Gifford und beugte sich über Dines hinweg, um mit Charles zu sprechen.
In diesem Augenblick trat eine große, grobknochige Frau auf die Bühne, die einer Wäscherin in mittleren Jahren glich. Charles gönnte ihr nur einen kurzen Blick, da sie sich weder für die Oper noch für seine eigenen Zwecke eignete, und so ignorierte er ihre Darbietung.
»Vermutlich hat sie Ihnen von unserem kleinen Streit erzählt«, murmelte er, ohne seinen Ärger zu verbergen. Millie benahm sich furchtbar indiskret, sie dachte gar nicht daran, ihre Korrespondenz auf Damen zu beschränken, nachdem sie dem Schulzimmer entwachsen war.
»Ja«, bestätigte Gifford, »diese Auseinandersetzung scheint sie zu beunruhigen.«
»Auch mir hat sie geschrieben«, mischte Dines sich ein, »und ich glaube, in etwas schärferem Stil. Offenbar ver übelt sie mir meine Aktivitäten in dieser Sache, denn sie behauptet, wenn ich das Mädchen nicht so vehement verteidigt hätte, wäre sie nicht gezwungen worden, Miss Barrett in die Schranken zu weisen. Dann hätte der Streit vermieden werden können.« Er wischte sein Monokel mit einem Taschentuch ab und klemmte es vors Auge. Beim Anblick der Sängerin zuckte er zusammen und befestigte das Einglas wieder an seinem Revers.
Fast unmerklich runzelte Charles die Stirn. Wenn Millies Argument auch an den Haaren herbeigezogen war, musste er ihr in gewisser Weise Recht geben. Dines’ Arroganz erregte immer wieder ihr Missfallen. Ganz egal, welchen Standpunkt er vertrat, sie stellte sich aus reinem Eigensinn gegen ihn oder aus Prinzip, wie sie es selbstbewusst nannte. Natürlich wusste er, welche Wirkung er auf sie ausübte, und er hatte die Situation sicher zu seiner eigenen Belustigung ausgenutzt. Unter anderen Umständen hätte sich auch Charles amüsiert. Aber das verhinderte die Erinnerung an die beklagenswerte Lage, in der er Miss Barrett angetroffen hatte.
Dines warf Charles einen Seitenblick zu, als würde er dessen Gedanken lesen. »Wer Miss Barrett ist, wusste ohnehin schon jeder, Edgington. Anfangs war das Täuschungsmanöver ganz unterhaltsam. Aber sie ist so farblos, dass wir ihrer schon lange vor dem Rushworth-Ball müde wurden. Millie hat es uns einfach nur erspart, weiterhin zu schauspielern, was ohnehin niemandem nützen würde.«
»Wieso bemühen Sie sich so um diese junge Frau, Edgington?«, fragte Gifford. »Beinahe könnte der Eindruck entstehen, sie wäre Ihre Hure gewesen. Wollen Sie ihr helfen, einen Einfaltspinsel ins Ehebett zu locken, bevor ihr Zustand offenkundig wird und Sie ihren Balg ernähren müssen?«
Verächtlich schüttelte Charles den Kopf. Gifford konnte Skandale besser heraufbeschwören als verhindern, in all den Jahren, seit Charles ihn kannte, hatte der Mann niemals auch nur einen Funken Mitleid mit irgendjemanden bekundet. Schade, dass Christopher Radcliffe den Rushworth-Ball nicht besucht hatte. Oder Faith Weldon. Die beiden hätten Millie zur Vernunft gebracht. Und sie wussten, dass ein Täuschungsmanöver - mochte es auch noch so leicht zu durchschauen sein - akzeptiert wurde, solange niemand peinliche Fragen stellte. Da Lily Barrett über ein hübsches Gesicht, angenehme Manieren und eine beträchtliche Mitgift verfügte, würde ein jüngerer Sohn aus gutem Haus ihre Vergangenheit sicher vergessen und ihr den Hof machen.
Mr Larson unterbrach den Vortrag der grobknochigen Sängerin. Ungeschickt knickste sie und verließ die Bühne. Als eine andere Frau erschien, klemmte Dines wieder sein Monokel vors Auge und musterte sie. Diesmal nahm er es nicht mehr ab. Die hübsche junge Blondine wies reizvolle Kurven an allen richtigen Stellen auf. Mit derbem Cornwall-Akzent verkündete sie, was sie singen würde, und Charles seufzte leise, während Dines’ Mundwinkel zuckten. Der Mann hatte eine Schwäche für unschuldige Landmädchen. Aber Charles zog kultivierte, erfahrene Frauen
vor, immer nur für kurzfristige Beziehungen. Für solche Amüsements fand er allerdings jetzt keine Zeit mehr, denn er war mit der Verwaltung seines Erbes beschäftigt. Jedenfalls war dieses Mädchen zu vulgär, um seinen speziellen Zwecken zu dienen.
Nun begann
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