Flamme von Jamaika
hinterher.
«Ich muss dich nicht daran erinnern, mein Sohn, dass du seit dem unglücklichen Tod von Hetty MacMelvin keine Chance mehr hast, eine passende Frau auf der Insel zu finden.»
Die ungewohnte Nervosität in den grauen Augen seines Vaters verärgerte Edward. «Und das alles wegen einer schwachsinnigen Negerin, die längst in der Hölle schmort», zischte er verärgert. «Du hättest sie lange vor diesem … Zwischenfall von Redfield Hall beseitigen sollen. Dann wäre es niemals so weit gekommen.»
Im Grunde genommen glaubte er nicht an so einen Hokuspokus wie den Obeah-Zauber. Aber nachdem sein Vater zwei Frauen und zwei Töchter durch ein seltsames Fieber verloren hatte, war er sich nicht mehr so sicher, ob die Neger nicht doch mit dem Teufel im Bunde waren. Als dann zu allem Übel vor einigen Jahren auch noch Edwards Verlobte, eine gebürtige Schottin, kurz vor der Hochzeit angeblich von einem jungen Sklaven ermordet worden war, hatten die übrigen Pflanzerfamilien zu reden begonnen. Irgendwie war durchgesickert, dass vor Jahren eine Sklavin im Hause der Blakes auf seltsame Weise verschwunden war. Es ging das Gerücht, sie habe sich im Herrenhaus von Redfield Hall das Leben genommen und kurz vor ihrem Tod alle zukünftigen Frauen der Familie Blake verflucht. Dummerweise hatte Trevor ihre Leiche tatsächlich bei Nacht und Nebel in den Fluss geworfen, woraufhin sie verschwunden blieb. Aber davon konnte niemand sonst etwas wissen. Offiziell war sie als entflohen gemeldet worden.
«Ich kann immer noch nicht begreifen, wieso du dich ausgerechnet mit dieser Nigger-Hexe eingelassen hast», raunte Edward und schüttelte verständnislos den Kopf. Er wusste, dass er sich mit einer solchen Bemerkung bei seinem Vater auf gefährliches Terrain begab. Als sein einziger Sohn konnte er sich bei dem Alten einiges rausnehmen, aber wenn es um den Fluch ging, zog Lord William eiserne Grenzen.
«Interessant, dass ausgerechnet du so etwas sagst», konterte sein Vater mit gefährlich funkelnden Augen. «Ich möchte nicht wissen, wie viele von unseren Sklavinnen deine Bastarde geboren haben.»
Er setzte das Glas auf dem Silbertablett ab und richtete sich zu voller Größe auf. William Blake war trotz seines Alters von sechzig Jahren immer noch ein stattlicher Mann, der mit seiner vornehmen Erscheinung und einer Größe von mehr als sechs Fuß äußerst respekteinflößend wirkte.
«Woher willst du wissen, ob eine von deinen Huren nicht auch irgendwann verrücktspielt?» Sein Einwand klang wie eine verspätete Entschuldigung sich selbst und seiner Familie gegenüber.
«Ich weiß es, weil ich mich um meine Huren kümmere», bemerkte Edward und zog eine Braue hoch. «Und wenn ich meine Sklavinnen verkaufe, dann immer Stute und Fohlen zusammen. Was danach mit ihnen geschieht, liegt nicht in meiner Macht.»
«Zu dumm nur, dass dir deine Barmherzigkeit keinen adäquaten Erben beschert, der sich den Respekt unserer weißen Nachbarn verdient.» William räusperte sich. «Wobei wir wieder beim Thema wären. Helena Huvstedt stammt aus gutem Haus. Ihr Vater ist durchaus vermögend, und sie selbst hat in der Schweiz eine exzellente Erziehung genossen. Außerdem willst du wohl nicht behaupten, dass sie von abgrundtiefer Hässlichkeit gezeichnet ist?»
«Nein», bestätigte Edward und erinnerte sich an die unübersehbaren Vorzüge der jungen Frau. «Neulich im Theater schien sie mir recht ansehnlich. Ein hübsches, weißes Gesicht mit großen, hellgrünen Augen, einer kleinen, geraden Nase und einem sündigen Mund, dazu feste Brüste und einen aufrechten Gang. Ein Narr, wer mehr von einer Repräsentantin für Redfield Hall erwartet.»
Lena glaubte vor Aufregung zu vergehen, als der Kutscher den geschlossenen Wagen nach nur fünfminütiger Fahrt in die King Street lenkte. Von weitem war bereits das klassizistische Gebäude des Clubs erkennbar, vor dem sich eine lange Schlange von Kutschen gebildet hatte. Sie war froh, einen dicken Pelzmantel zu tragen, weil sie trotz der Kälte mit dem Aussteigen so lange warten mussten, bis die Kutsche endlich am überdachten Hauptportal angelangt war und ein Diener in einer grünen Livree ihnen die Türen öffnete.
«Und, bist du schon aufgeregt?»
Ihr Vater schaute sie lächelnd an und knetete dabei ihre Hände, die trotz der gefütterten Handschuhe ganz kalt waren. Er trug einen dunklen Frack und ebenfalls einen Pelzmantel. Außerdem hatte er dafür gesorgt, dass Huxley jedem von ihnen einen
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