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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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verärgern. Schon steuerte er auf die Hütte von Desdemona zu, die am unteren Rande des Dorfes stand.
    «Was tun wir hier?» Baba runzelte in aufkeimender Beunruhigung die Stirn, während Jess vom Maultier herabsprang und sie ohne Erklärung zu sich herunterhob. Hilflos schaute sie sich nach den anderen Männern um, die weiter den Hügel hinauf zum Dorf ritten.
    «Baba!» Desdemona rieb sich die blinden Augen, nachdem sie die Tür zu ihrer Hütte geöffnet hatte. «Da bist du ja endlich!»
    Als Jess unvermittelt hinter seiner Mutter auftauchte, schrak sie zurück, obwohl sie ihn unmöglich gesehen haben konnte.
    «Oh», sagte sie nur. «Kommt herein.»
    Baba wusste, dass die blinde Obeah-Zauberin keine Augen benötigte, um den finsteren Blick ihres Sohnes auf sich zu spüren. Sie war sich sicher, dass die alte Frau durch Wände und bis über das Meer schauen konnte. Und wenn das Ereignis stark genug war, konnte sie sogar die Zukunft voraussagen.
    «Du bist also schuld», sagte Jess, «dass Baba das Lager ohne Erlaubnis verlassen und uns damit alle in Gefahr gebracht hat. Ich hätte mehr Verstand von einer weisen Frau wie dir erwartet. Ich werde dem Ältestenrat empfehlen, dich ebenso zu bestrafen wie meine Mutter.»
    «Jess!», schalt ihn Baba. «Wie redest du mit ihr, es war ganz allein meine Entscheidung, dorthin zu gehen!»
    «Lass gut sein, Baba», raunte die Alte.
    Mit zusammengekniffenen Lidern fuhr sie herum und fixierte Jess mit ihren blinden Pupillen.
    «Du bist nur ihr Sohn», sagte sie hart, «und du musst nicht verstehen, welchen berechtigten Hass deine Mutter auch nach all den Jahren gegenüber ihrem früheren Master in ihrem Herzen trägt. Um das zu begreifen, musst du erfahren, was er deiner Mutter angetan hat.»
    «Das ist lange her», konterte Jess. «Inzwischen gehen wir andere Wege, um uns gegen die Weißen zur Wehr zu setzen.»
    Desdemona überhörte seinen Einwand. Sie trat an ihn heran und legte eine Hand auf seine Stirn. Er wollte zurückweichen, doch er konnte es nicht.
    «Wenn du dich traust, setz dich hin, dann werde ich dir etwas zeigen», sagte sie mit krächzender Stimme.
    Jess blieb kaum etwas anderes übrig, als auf die Knie zu gehen. Desdemonas Hand wirkte wie ein Magnet, und selbst als er sich ihr entziehen wollte, war es nicht möglich. Als bekennender Christ dachte er sogleich an den Teufel, der in diese Frau gefahren sein musste, aber er wagte es nicht, seinen Verdacht auszusprechen. Ihn schauderte, und er hoffte inbrünstig, dass sie und vor allem seine abergläubische Mutter seine Angst nicht bemerkten.
    An einem Tisch, der überfrachtet mit Flaschen und hölzernen Kisten war und etwas abseits stand, machte sie sich zu schaffen. Desdemona kehrte mit einem Holzbecher zu ihm zurück und setzte ihn an seine Lippen.
    «Du solltest das trinken, dann geht es leichter.»
    «Willst du mich umbringen?», fragte er argwöhnisch.
    «Wenn ich das wollte, wärst du längst tot.»
    Widerwillig schluckte er die bittere Flüssigkeit, und sie legte abermals die flache Hand auf seine Stirn.
    «Schließ die Augen und warte ab, was geschieht.»
    Jess spürte, wie ihm die Lider zufielen und er so müde wurde, als ob er hundert Jahre nicht mehr geschlafen hätte. Dann merkte er, wie ein Ruck durch seinen Körper ging und er die Welt mit den Augen seiner Mutter sah.
    Er stand vor dem Bett des viel jüngeren Masters und spürte die tiefe Verzweiflung, als William Blake ihr offenbarte, dass er den Sohn einfach fortgegeben hatte. Dann traf ihn ein schneidender Schmerz, weil sie sich mit zwei raschen Schlägen einer kurzen Machete die Adern an ihren Armen der Länge nach aufgeschlitzt hatte. Das Blut tropfte warm an ihren Fingern entlang auf den Boden. Trotzdem war sie noch fähig, einen heiseren Fluch herauszuschreien, und er spürte die Erleichterung, die sie danach erfasste.
    Doch dann war da plötzlich Trevor Hanson, an den er sich noch dunkel erinnerte, der sie an den Haaren riss und überwältigte, indem er sie mehrmals ins Gesicht schlug. Auf Befehl des Masters trug er sie auf seinen Schultern eine lange Treppe hinab in einen dunklen Schuppen. Dort zog er ihr das armselige Kleid hoch und vergewaltigte sie trotz ihres erbärmlichen Zustandes. Der Schmerz war überwältigend. Nachdem er sich grunzend mehrmals in ihr ergossen hatte, trug er sie zum Fluss.
    «Auf dass die Krokodile dein faules Fleisch fressen!», rief er und warf sie in die Fluten.
    Als Jess wieder zu sich kam, lag er am Boden,

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