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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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zückte Maggie ein langes Messer, das sie in einer Scheide verborgen zu ihrem Geldgürtel schnallte.
    «O mein Gott», entfuhr es Lena, «was willst du denn damit anstellen?»
    «Es ist nur zu unserer Sicherheit, falls uns irgendwelches Gesindel über den Weg läuft.»
    «Falls uns irgendwelches Gesindel über den Weg läuft, geben wir unseren Pferden die Sporen, sonst nichts», mahnte Lena und verbarg ihr langes Haar unter einem modischen Hut, den sie immer beim Reiten trug. «Also los!»
    Unbemerkt huschten sie über die dunklen Gänge hinunter in die große Halle. Dort begegneten sie einem alten Wachmann, der zwar verwundert schaute, ihr Verhalten aber nicht hinterfragte. Unbehelligt erreichten sie im fahlen Mondlicht die Stallungen. Auch hier gab es einen jungen Burschen, der Wache schob, und auch er legte nach anfänglichem Zögern keinerlei Veto ein, sondern sattelte ihnen anstandslos die beiden Stuten. Lena gab ihm dafür einen Penny, was ihn offenbar noch mehr verwirrte. Trotzdem dankte er artig und ließ sich wieder auf seinen Strohsack sinken.
    Lautlos stiegen sie in ihre Damensättel und spornten die Tiere an, die sich leise schnaubend in Bewegung setzten. Zwei Hunde bellten, als sie das Tor hinaus in die Wildnis passierten. Lena schaute ein letztes Mal zurück. Das Herrenhaus lag verschlafen im Mondlicht, und von Tom war weit und breit nichts zu sehen.
    Bereits vorher hatten sie sich in Lord Williams Bibliothek heimlich eine passende Karte angeschaut und wussten daher, dass von Rosenhall eine direkte Verbindungsstraße nach Süden existierte, die über Spanish Town schnurstracks nach Port Royal führte, wo zurzeit die meisten Schiffe anlandeten. Wenn sie kein Schiff mehr nach Deutschland oder England bekommen würden, so doch vielleicht eins zu den umgebenden Inseln, wo sie auf bessere Bedingungen zur Ausreise nach Europa hofften.
    Maggie ritt dicht an Lenas Seite, die sich vollkommen auf ihre Erinnerungen verließ.
    «Vielleicht hätten wir die Karte doch lieber mitnehmen sollen», sinnierte Maggie, als sie nach einer Stunde Ritt eine Weggabelung erreichten und Lena für einen Moment unentschlossenen wirkte.
    «Wenn wir die Karte mitgenommen hätten», verteidigte sich Lena und ritt weiter, «wäre uns Edward womöglich noch auf die Schliche gekommen. Außerdem kann man bei diesen Lichtverhältnissen sowieso kaum etwas sehen.»
    «Ich geb’s zu», sagte Maggie leise, während sie Lena weiter in die Dunkelheit folgte, «ich fürchte mich ein wenig. Hier ist weit und breit kein Haus in Sicht. Nur Hügel und Felder.»
    «Halt durch und vertrau mir», bat Lena. «Nach meiner Erinnerung zu urteilen, müssen wir immer an der Straße entlang, bis wir zu einem Ort kommen, der sich Tavern nennt. Von dort aus geht es am Rio Pedro entlang in östliche Richtung bis nach Stony Hill. Danach kommt Spanish Town und wenig später schon Port Royal.»
    «Bist du dir sicher, dass du den richtigen Weg ausgewählt hast?»
    In Maggies Frage schwangen berechtigte Zweifel. «Vielleicht sind wir doch ein wenig zu naiv an die Sache herangegangen», jammerte sie.
    «So sicher wie das Amen in der Kirche», versprach Lena, obwohl sie selbst voller Ängste war. Wenigstens gab es auf der Insel keine wilden Tiere wie Wölfe oder Bären, vor denen man sich hätte fürchten müssen. «Ich habe dir schon genug Schwierigkeiten bereitet», erklärte Lena tapfer. «Dieses eine Mal möchte ich alles richtig machen.»

Kapitel 12
    September 1831 // Jamaika // Blue Mountains

    H alt!», rief Jess mit gedämpfter Stimme.
    Er hob seine Hand und lehnte sich im Sattel seines großen Mulis zurück. Die sechs Männer, die ihn begleiteten, folgten widerspruchslos seinem Befehl und stoppten ebenfalls ihre Tiere. In der aufkeimenden Morgenröte verharrten Reiter und Mulis für einen Moment wie große, graue Statuen, um die weite Ebene zu überblicken, die sich unter ihnen auftat. Jess griff in seine Satteltasche und zückte ein Fernrohr. Sein geschärfter Blick glitt über das hohe Gras, dessen Halme sich im Wind wie Wellen des Meeres bewegten. Irgendwo da unten mussten sich Kojo und die vier jungen Sklaven befinden, die mehrere Tage zuvor aus Trelawney geflohen waren.
    «Siehst du was?», fragte ihn Nathan, der wie alle anderen von einer gewissen Anspannung erfasst wurde, die sich üblicherweise einstellte, wenn sie kurz vor der Übernahme von Flüchtlingen standen.
    Obwohl die ganze Sache bestens geplant war, liefen sie stets Gefahr, entdeckt zu

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