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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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im rechten Moment zuschlagen können.»
    Plötzlich entstand vor dem Höhleneingang Unruhe, und wenig später meldete eine der Wachen einen Boten. Cato bat den jungen Kreolen mit einer einladenden Geste herein. Es war Aleeke, dessen Name – starker Löwe – nicht im Geringsten zu seiner Größe von nur knapp fünf Fuß passte. Sein goldbronzener, sehniger Oberkörper hingegen schon. Jetzt glänzte er von Schweiß, und sein Atem ging rasch. Offenbar war er über eine längere Distanz zum Lager gerannt.
    Der Junge war kaum älter als sechzehn, durfte sich aber bereits zu jenen zählen, die einen Eid auf die Kriegerschaft geleistet hatten. Dies bedeutete, dass er wie alle Anwesenden mit seinem Leben bezahlen würde, wenn er Verrat an seinen Brüdern oder deren Familien beging.
    Jess bot ihm einen Becher Kräuterbier an, den der Junge in einem Zug leerte. Danach wischte er sich hastig den Mund ab und begann zu sprechen.
    «Kojo schickt mich. Er sagt, dass heute Morgen in Spanish Town das Urteil gegen die drei Ausreißer gefällt wurde. Sie werden in einer Woche aus Fort Charles zurückgebracht und vor dem Gerichtsgebäude gehängt. Das Ganze ist als öffentliches Spektakel geplant. Der Gouverneur will ein Zeichen setzen, um die Sklaven vor ähnlichen Handlungen zu warnen.»
    Hier und da war ein Aufstöhnen zu hören. Auch Jess stieß einen schmerzlichen Seufzer aus, weil er sich für das grausame Schicksal der drei mitverantwortlich fühlte. Zum einen, weil es ihnen nicht gelungen war, sie zu befreien. Zum anderen, weil es gut möglich war, dass seine Mutter und er wegen der Verfolgungsjagd mit zwei toten Soldaten am drohenden Tod der jungen Gefangenen eine Mitschuld trugen.
    Vielleicht hatte beides dazu geführt, dass der Gouverneur die Gerichte entsprechend unter Druck gesetzt hatte.
    «Morgen in aller Frühe erwarten wir am Rio Pedro eine weitere Gruppe von vier entflohenen Sklaven», fuhr Aleeke unbeirrt fort. «Sie sind vor drei Tagen aus Trelawney geflohen und werden steckbrieflich gesucht. Kojo sagt, er wird sie nachts in der Nähe von Tavern aufnehmen, und ihr sollt sie wie üblich noch vor Sonnenaufgang am vereinbarten Treffpunkt in der Nähe von Stony Hill übernehmen und zu uns ins Lager führen.»
    «Hat Kojo sie darüber aufgeklärt, dass die Flucht im Moment besonders gefährlich ist? Also, für den Fall, dass sie geschnappt werden und sie nach erfolgreicher Flucht das Lager nicht mehr verlassen dürfen?», fragte Jess aus reiner Routine.
    Normalerweise wussten die Leute, die bei ihnen Zuflucht suchten, worauf sie sich einließen, aber im Moment lagen die Dinge ein wenig anders.
    «Davon gehe ich aus», erklärte der Junge. «Sie befanden sich auf einem Gefangenentransporter, der Richtung Hafen ging. Der Konvoi von vier Wagen wurde von Dieben überfallen. Die Gauner hatten es auf eine Ladung Rum abgesehen, die ebenfalls zum Hafen unterwegs war. Während die weißen Aufseher mit den Räubern beschäftigt waren, ist den vier Jungs die Flucht gelungen. Kojo und seine Männer haben sie unweit der Stelle, wo der Überfall stattgefunden hat, aufgelesen und ins nächste Maroon-Dorf gebracht. Aber da können sie in Anbetracht der Lage nicht bleiben. Zwei von ihnen sind so übel zugerichtet, dass sie kaum noch laufen können.»
    Jeder der Anwesenden konnte sich in die Not dieser Männer bestens hineinversetzen. Die wenigsten, die nach den Strapazen einer Flucht zu ihnen stießen, erfreuten sich bester Gesundheit. Meist hatten sie ein langes Martyrium hinter sich, bevor sie sich entschlossen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um ihren weißen Peinigern zu entkommen.
    Jess warf einen Seitenblick auf Nathan.
    «Sag Joel, Kerak und Tupac, dass wir aufbrechen, wenn der Mond am höchsten steht.»
    «Du willst mitkommen?» Nathan taxierte ihn von der Seite. «Ich dachte, du benötigst etwas Zeit, um deiner Mutter das Urteil zu erklären?»
    Jess lachte spöttisch.
    «Dafür benötige ich keine fünf Minuten. Entweder sie kapiert es, oder sie lässt es bleiben. Außerdem ist unsere Mission zu wichtig, als dass ich auf die Führung verzichten möchte.»

    «Was? Du hast mich für verrückt erklärt?»
    Baba war außer sich vor Empörung, als sie hörte, mit welchen Mitteln Jess ihr Todesurteil abgewendet hatte. Die Arme in die Taille gestemmt, stand sie vor Desdemonas Hütte, wohin die Wachen sie begleitet hatten.
    «Er hat mich für verrückt erklärt!», schimpfte sie in Gegenwart der alten Zauberin so laut, dass die

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