Flamme von Jamaika
daran anschließende Abstimmung zu verkünden. Jess hoffte inbrünstig, dass er überzeugend genug gewesen war, um seine Mutter vor dem Äußersten zu bewahren. Auf keinen Fall würde er sie sterben lassen. Eher würde er gemeinsam mit ihr die Flucht ergreifen.
«Wir werden sie am Leben lassen», sprach Cato schließlich die erlösenden Worte. «Doch wird sie dazu verurteilt, in den nächsten drei Monaten die Gefangenenverschläge zu versorgen. Sie wird den Eingesperrten dort das Essen kochen und die Jaucheeimer leeren. Wenn sie sich weiterhin nicht an die Regeln hält, ist das Leben ihres Sohnes verwirkt.» Mit einem kalten Ausdruck in den Augen wandte er sich an Jess. «Und dabei werden wir keine Rücksicht darauf nehmen, welch großer Verlust es für uns wäre, dich als Anführer zu verlieren.»
Jess nickte und verkniff sich eine böse Bemerkung, die Cato nur unnötig erzürnt hätte. Sämtliche Brüder stimmten dafür, und somit wurde das Urteil angenommen.
Danach wurden zwei andere Gerichtsfälle verhandelt. Ein gestohlenes Huhn und ein Fall von verweigerter Pflichterfüllung. Der Beschuldigte hatte es abgelehnt, Frauenarbeit zu übernehmen, weil er aufgrund eines Beinbruchs im Moment zu nichts anderem fähig war. Für das Huhn setzte es Peitschenhiebe, und der Kerl mit der Beinverletzung musste für zwei Wochen in Arrest, was der Heilung seiner Verletzung sicher förderlicher war, als Früchte zu sammeln.
Danach ging man zur Tagesordnung über und beratschlagte die anstehenden Maßnahmen zur geplanten Revolution.
Jess erhielt als Erster das Wort, weil er für sämtliche Vorbereitungen außerhalb des Lagers verantwortlich war und den Kontakt zu den unter der Bevölkerung Jamaikas eingesetzten Spionen unterhielt.
«Samuel Sharpe hat seine Bemühungen, die Leute in den sonntäglichen Messen auf die bevorstehende Revolte vorzubereiten, fortgesetzt», verkündete Jes in der ihm üblichen, unaufgeregten Art. «Bis Weihnachten will er als anerkannter Baptistenprediger all seine Kollegen, also auch die weißen Priester, und sämtliche Gläubige der Insel auf seine Seite gezogen haben, damit sie die Sklaverei offiziell als einen Akt der Barbarei verurteilen. Die weißen Christen sollen die Neger endlich als gleichwertige Menschen anerkennen. Er glaubt dabei fest an eine friedliche Lösung. Wir sollten ihn in dieser Absicht unterstützen, so gut wir es können. Gleichwohl müssen wir wachsam bleiben und beobachten, wie sein Vorgehen bei den weißen Pflanzern bewertet wird.»
«Was werden sie schon davon halten?», rief einer der Maroon-Häuptlinge dazwischen, der als Vertrauensmann der bereits befreiten Minderheiten an den Sitzungen teilnahm. «Unseren Vorvätern haben sie die Freiheit erst gegeben, nachdem wir sie mit Gewalt dazu gezwungen haben.»
«Ich gebe dir recht, Moquoi», stimmte Jess dem pausbäckigen Kreolen zu. «Angeblich wollen sich einige Pflanzer zu sogenannten Todesschwadronen zusammenrotten, um alle männlichen Negersklaven zu erschießen, sobald ein entsprechendes Gesetz aus London eintrifft, das die Sklaverei ein für alle Mal verbietet.»
Jess hatte vergleichsweise besonnen gesprochen, und doch ging ein empörtes Raunen durch die Menge.
«Das würde in jedem Fall Krieg bedeuten», bemerkte Moquoi. «Unsere beiden Abgeordneten im Parlament von Spanish Town würden so etwas nicht dulden. Auch die Maroon wären von einer solchen Entwicklung betroffen. Ich meine, wie wollen diese Wahnsinnigen denn unterscheiden, wer von den Hunderttausenden Negern, Kreolen, Mulatten und Quadroon ein Sklave ist und wer nicht?»
«Angeblich fängt jeder Pflanzer bei seinen eigenen Leuten an», erklärte Jess, ohne eine Miene zu verziehen.
«Wir befinden uns längst im Krieg», fügte Cato scharf hinzu und fiel Jess damit ins Wort. «Auch wenn es einige von uns noch nicht begriffen haben …» Er räusperte sich kurz und bedachte Jess mit einem düsteren Blick. «Wer ist dafür, dass wir mit gleicher Macht zuschlagen, und zwar noch bevor die Weißen in der vorher genannten Weise unsere Brüder und Schwestern angreifen?»
Ausnahmslos alle erhoben ihre Hand, sogar Jess, der in erster Linie an Frauen und Kinder dachte, die unter einer solchen Entwicklung am meisten zu leiden hätten.
«Gut!», bekräftigte Cato die von ihm gewünschte Entscheidung. «Dann wissen wir, was in den nächsten Wochen zu tun ist. Wir müssen Waffen und Munition horten sowie möglichst viele Fässer mit Schwarzpulver erbeuten, damit wir
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