Flammen der Rache
gerettet«, fuhr Kev fort. »Ohne ihn hätte ich nie wieder sprechen gelernt. Ohne ihn hätte ich nicht überlebt. Sollte ich euch irgendetwas bedeuten, dann steht ihr in seiner Schuld. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
Bruno war überrascht und gerührt. »Oje«, sagte er, um die verlegene Stille zu durchbrechen. »Du wärmst das Herz dieses besserwisserischen, undankbaren Rotzlöffels!«
Kev warf ihm einen beredten Blick zu. »Halt den Mund, Bruno.«
»Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung für dich.« Seans gewohnheitsmäßig gute Laune kehrte zurück. »Mein Bauchgefühl sagt mir nämlich, dass es auch Edie gelungen ist, deine innere Distanziertheit zu überwinden. Vielleicht brauchst du sie bald gar nicht mehr. Wer weiß?«
»Sag bloß nicht, dass du auf sie auch eifersüchtig bist?«
»Ach, red doch keinen Quatsch«, knurrte Sean. »Ich liebe, dich, Mann, okay? Ich habe dich vermisst. Ist das so schwer zu verkraften? Macht dir das solche Angst?«
Kev schaute weg. »Nein«, sagte er leise. »Es macht mir keine Angst. Ich habe dich auch vermisst. Euch alle. Es waren sehr lange achtzehn Jahre.«
Bruno ließ den Blick über die vier Männer schweifen. Zähe Sekunden verstrichen. Nichts passierte.
Seine Ungläubigkeit wuchs. Das war schon alles gewesen? Lieber Himmel. Diese Kerle waren einer wie der andere emotionale Krüppel.
»Und jetzt ist es überstanden«, verkündete er laut. »Das ist doch prima. Haben sich jetzt alle wieder lieb? Ist jeder glücklich? Dann können wir das Thema ad acta legen?«
Connor sah aus, als wollte er Bruno ein weiteres Mal befehlen, die Klappe zu halten, doch er verkniff es sich mit sichtlicher Mühe.
»Ich bin dafür«, sagte er stattdessen.
»Ich auch«, stimmte Davy zu, geschwätzig wie immer.
»Also schließen wir Frieden?« Kev wandte sich Sean zu. »Oder muss ich dir noch ein Bein ausreißen, um zu beweisen, dass du mir wichtig bist? Ich wäre gerade in Stimmung.«
Seans Zähne funkelten hell in seinem schlammbesudelten Gesicht, als er grinste. »Danke, ich verzichte.«
Er richtete den Blick auf Con und Davy. »Was ist mit euch? Soll ich jemandem das Knie in die Weichteile rammen? Wie wär’s mit ein paar gebrochenen Rippen?«
Connor und Davy sahen aus, als hätten sie Mühe, sich ein Lächeln zu verkneifen.
»Nein, danke. Das ist nicht nötig«, lehnte Connor höflich ab.
»In Ordnung! Gruppenumarmung!« Bruno streckte seine verschlammten, tropfenden Arme aus. »Kommt her, Jungs! Umarm sie, Kev! Entspannt euch! Fühlt die Liebe!«
Als Davy den schlammverschmierten Bruno musterte, entrang sich ihm ein Geräusch, das tatsächlich ein Lachen hätte sein können.
»Bleib mir vom Leib, Mann«, warnte er ihn. »Du bist ekelhaft.«
»Ach, was ist schon so ein bisschen Matsch? Ihr Typen seid viel zu verklemmt. Das liegt an den Stöcken in euren Ärschen. Tut echt weh, das mit anzusehen.«
Connor wandte sich Kev zu. »Wie erträgst du den bloß?«
Kev legte die Hände auf die Knie und spuckte lachend den letzten Rest Erde aus. »Ich habe keine Ahnung. Dad würde uns allen eins über den Schädel ziehen, hätte er dieses Gespräch mitbekommen.«
»Das stimmt«, pflichtete Sean ihm bei. »Allerdings war Dad nicht gerade ein Musterbeispiel für psychologische und emotionale Stabilität. Schließlich war er schizophren und all das.«
»Und was ist mit Tony?«, fragte Bruno. »Diesem Exmilitär und Exmafioso, der Männern in den Kopf geschossen und sie im Wald verscharrt hat?«
»Das sind unsere Vorbilder.« Seans Stimme klang sentimental. »Sie haben uns zu den Männern gemacht, die wir heute sind. Verursacht dir dieser Gedanke etwa kein warmes, behagliches Gefühl?«
Brunos Brust vibrierte vor Lachen. Er stützte den Arm auf den neuen Rand des Lochs, wo der Erdrutsch begonnen hatte, dann versuchte er, die Beine aus dem zähen Morast zu ziehen …
Und hielt abrupt inne.
Ein menschlicher Schädel ragte aus der neuen Grubenwand heraus, festgehalten von Pflanzenwurzeln und dicken Erdklumpen. Sein mit Schlamm verstopfter Mund grinste Bruno von der Seite an.
Dann löste er sich vor Brunos Augen aus dem regendurchtränkten Erdreich und kullerte gemächlich die schräge Wand hinab. Er landete direkt in Brunos Hand.
Er hob den Schädel hoch und inspizierte ihn. Der Unterkiefer war nicht mehr vorhanden, trotzdem waren der fehlende linke Eckzahn und die Goldfüllungen in den oberen Backenzähnen unverwechselbar. Bruno hatte diese Goldzähne oft gesehen, wenn der
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