Flammen des Himmels
aber nicht getan.«
Fraukes letzte Worte klangen bitter, denn in dem Fall hätten die Frauen ihrer Familie gemeinsam mit Vater und Bruder nach Münster kommen können und nicht bei Klüdemann als Mägde arbeiten müssen.
Da kam ihr ein erschütternder Gedanke. »Ist mit Vater etwas geschehen?«
Wenn dies der Fall war, bedeutete die Begegnung mit ihrem Bruder nicht die Befreiung vor Klüdemann und dessen Weib. Stattdessen würden diese auch noch Helm zu sich holen und als Knecht arbeiten lassen.
Ihr Bruder wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Zu fest hatten der Vater und er geglaubt, die Mutter und die beiden Schwestern seien tot. Jetzt zu hören, dass alle drei noch lebten, war zwar schön, doch mittlerweile hatte der Vater Katrijn geheiratet, ohne wirklich Witwer zu sein.
»Nein, mit Vater ist nichts«, sagte er stockend.
»Wo ist er? Er hat dich doch gewiss nicht allein nach Münster geschickt!«
Fraukes Gedanken tanzten vor Freude. Jetzt sind wir Klüdemann los!, schrie alles in ihr, und sie achtete daher nicht auf Helms säuerliches Gesicht.
»Nein, er ist hier!« In diesem Augenblick wünschte Helm sich an jeden anderen Ort der Welt, allerdings mit der Aussicht, spätestens einen Tag vor dem Weltuntergang wieder in Münster zu sein. Am ewigen Leben unter der Herrschaft Jesu Christi wollte er doch teilhaben. Da aber kein Engel des Herrn erschien, um ihn aus Münster wegzuholen, blieb ihm nichts anderes übrig, als seiner Schwester mit hängenden Schultern zu bekennen, was geschehen war.
»Wir glaubten euch tot, denn uns wurde glaubhaft Kunde gebracht, der Inquisitor hätte euch alle auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen.«
»Haug musste auf diese Weise sterben«, antwortete Frauke leise. »Wir anderen wurden errettet.«
Sie wusste, dass sie die Namen von Lothar Gardner und Draas niemals erwähnen durfte, damit diese nicht selbst ins Visier der Inquisition gerieten. Gleichzeitig ärgerte sie sich darüber, weil sie den beiden mutigen jungen Männern auf diese Weise die Anerkennung entzog, die ihnen gebührte.
Mit dieser Bemerkung hatte Frauke ihren Bruder aus dem Konzept gebracht, und er versuchte, seine Gedanken wieder zu ordnen. »Es ist so … Da wir euch tot glaubten, hat Vater sich ein neues Weib genommen. Wir leben zusammen in einem Haus am Markt.«
Jetzt war es heraus. Helm sah seine Schwester erbleichen und hob verzweifelt die Hände. »Ich kann nichts dafür – und Vater eigentlich auch nicht. Aber wir brauchten jemanden für den Haushalt.«
»Ihr hättet doch eine Magd einstellen können!« Frauke fühlte sich verraten, weil ihr Vater es nicht für nötig gehalten hatte, um seine Frau und seine Töchter zu trauern, die er für tot hielt.
»Wie hätten wir eine Magd bezahlen sollen? Wir hatten doch kein Geld. Und ein Haus hätten wir ohne diese Heirat auch nicht bekommen.«
Helm fühlte sich von seiner Schwester zu Unrecht angegriffen. Was wusste Frauke schon von seiner gemeinsamen Flucht mit dem Vater und ihrem Aufenthalt bei Meister Landulf? Auch wenn dieser ihn nicht schlecht behandelt hatte, gefiel es ihm weitaus besser, wieder in einem eigenen Haus zu leben. Das wollte er sich von ihr nicht schlechtreden lassen.
»Aber was machen wir jetzt?«, fragte sie verzweifelt. »Vater kann doch keine zwei Ehefrauen haben!«
»Dafür kann ich nichts«, antwortete ihr Bruder. »Außerdem muss ich nach Hause. Meine Stiefmutter wartet auf das Wasser.«
Mit diesen Worten ließ er die Kette mit dem Schöpfeimer noch einmal in den Brunnen hinab. Als er ihn wieder heraufzog, half Frauke ihm, seine beiden Eimer zu füllen.
»Danke«, flüsterte er und zog mit hängendem Kopf ab. Er war nach Münster gekommen, um in dieser Stadt ein glückseliges Leben zu führen, und stand nun Problemen gegenüber, denen er sich nicht gewachsen fühlte.
Frauke sah ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war, füllte ihren Eimer und trug diesen zu Klüdemanns Haus. Unterwegs fragte sie sich, wie sie ihrer Mutter und Silke diese Nachricht beibringen sollte.
2.
I nken Hinrichs hatte noch nie so hart arbeiten müssen wie an diesem Tag. Als Klüdemann endlich zufrieden war, glaubte sie, ihr Rücken würde brechen wie mürbes Holz. Dabei hatte der Hausherr ihr erklärt, dass sie ihm auch in den nächsten Tagen würde helfen müssen, Waren vom Dachboden nach unten zu bringen.
Zerschlagen suchte sie sich eine Stelle, an der sie sich ausruhen konnte. Da stand auf einmal die jüngere Tochter vor ihr. Fraukes Blick
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