Flammen des Himmels
und deren Töchter ihm auch einen solchen ersetzen sollten.
»Ich werde dir helfen, Mama«, bot Frauke an.
Doch Mieke Klüdemann winkte energisch ab. »Dafür hast du keine Zeit, denn du wirst Wasser holen. Schließlich wollen wir heute waschen.«
Für Frauke hieß das, dass sie mindestens die dreifache Menge Wasser schleppen musste als an normalen Tagen. In Geseke hatte Mieke Klüdemann noch selbst mit angepackt, doch hier in Münster war sie dazu übergegangen, die feine Dame zu spielen, und überließ Frauke, deren Mutter und Schwester den gesamten Haushalt und die Versorgung der Tiere. Nun mussten die drei auch noch für Klüdemann arbeiten. Am liebsten hätte Frauke ihren Gastgebern mit ein paar deutlichen Worten klargemacht, was sie von ihnen hielt. Zu ihrem Leidwesen waren sie jedoch auf diese Menschen angewiesen. Anders wäre es, wenn sie den Vater noch hätten. Daher betete sie oft im Stillen, dass dieser noch leben und dem Ruf nach Münster folgen würde.
Aber von dieser Hoffnung füllte sich das große Wasserschaff nicht. Sie nahm den klobigen Holzeimer, der wie ein Fass mit Eisenbändern zusammengehalten wurde, und seufzte bei dem Gedanken, weil sie darin so viel Wasser herbeischaffen musste, als wolle sie einen Ochsen ertränken. Mit einem letzten Blick auf ihre Mutter, die mit verbissener Miene hinter Debald Klüdemann die Treppe hochstapfte, verließ sie das Haus. Unterwegs sagte sie sich, dass ein zweiter Eimer zwar eine schwere Last sei, aber das viele Laufen zum Brunnen um die Hälfte verringern würde. Als sie einige Tage zuvor Mieke Klüdemann diesen Vorschlag gemacht hatte, war sie von dieser mit dem Hinweis abgefertigt worden, dass das Weltenende kurz bevorstehe und sich die Anschaffung eines weiteren Eimers daher nicht lohne.
Mit zusammengebissenen Zähnen stellte sie sich vor dem Brunnen an, wartete, bis sie an der Reihe war, und füllte ihren Eimer. Während einige andere Frauen noch stehen blieben und sich unterhielten, kehrte sie eilig zu Klüdemanns Haus zurück und goss das Wasser in das große Schaff. Es bedeckte kaum den Boden, daher zog sie unwillig die Schultern hoch und machte sich erneut auf den Weg.
Eimer um Eimer schleppte sie ins Haus, und jedes Mal sah sie ihre Schwester wie eine Küchenmagd am Herd hantieren. Ihrer Mutter begegnete sie ebenfalls, als diese zusammen mit Debald Klüdemann einen weiteren Ballen die Treppen vom Dachboden hinabschleppte und hinaus in den Schuppen trug. Der Hausherr wollte noch am selben Tag versuchen, die Waren an den Mann zu bringen, und rechnete immer wieder laut aus, was er dafür bekommen würde.
Frauke fragte sich, wozu der Mann noch Geld verdienen wollte, wenn in kurzer Zeit das himmlische Gericht über die Menschheit hereinbrechen und Gold und Edelsteine nur noch eitler Tand ohne jeden Wert sein sollten.
»Wir werden dieses Haus verlassen«, sagte Frauke entschlossen zu sich selbst, als sie das zehnte Mal zum Brunnen ging.
Mittlerweile schmerzten ihr die Arme und der Rücken, und sie sehnte sich danach, wieder so leben zu können wie vor der Ankunft des Inquisitors in Stillenbeck. Den Vorsatz, sich bei Fremden zu verdingen, hatte sie mittlerweile aufgegeben, denn Klüdemanns Frau würde die Arbeit, die sie jetzt erledigte, ihrer Mutter und ihrer Schwester zusätzlich aufbürden.
Zu Fraukes Glück hatten die meisten Frauen genug Wasser vom Brunnen geholt, so dass sie sich nicht mehr anstellen musste. Lediglich ein junger Bursche stand dort und füllte die beiden Eimer, die er bei sich hatte.
Irgendetwas an seiner Gestalt ließ sie aufmerken, und so ging sie um den Brunnen herum, um unauffällig sein Gesicht mustern zu können.
Als sie sah, wer dort stand, entwich ihr ein Schrei.
»Bei Gott! Helm!«
Ihr Bruder erschrak so sehr, dass er die Eimer fallen ließ und das Wasser verschüttete. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er Frauke an, machte das Zeichen gegen den bösen Blick und murmelte ein Gebet, das gegen Geister helfen sollte.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte Frauke verwundert.
Obwohl sie sich nie besonders verstanden hatten, umarmte sie ihn und hielt ihn so fest, als wolle sie ihn nie mehr loslassen. »Ich freue mich so sehr, dass du überlebt hast!«
»Frauke? Aber du bist doch tot!«, quetschte Helm hervor.
»Wie kommst du denn auf diesen Unsinn? Mutter, Silke und ich sind rechtzeitig entkommen und haben uns zu den Klüdemanns nach Geseke begeben. Dort wollte Vater eine Nachricht für uns hinterlassen, hat es
Weitere Kostenlose Bücher