Flammen des Himmels
Häuflein Elend auf seinem Platz saß. »So könnte es gehen«, meinte sie leise und mehr für sich als für die anderen gedacht.
»Was?«, fragte ihre Schwester.
»Faustus will sich kein Weib nehmen und ich keinen Mann. Daher könnten wir uns nach außen hin zusammentun, aber im Grunde jeder für sich bleiben.«
»Nein!«, rief Lothar empört.
»Soll ich vielleicht einen Mann nehmen, der seine Rechte einfordert?«, fuhr Frauke ihn an.
»Ich will raus aus Münster«, stöhnte Faustus, sah dann aber Frauke an. »Du meinst, wir könnten vorgeben, verheiratet zu sein? Aber wenn wir das tun, werden wir nicht in einem Bett schlafen.«
Lothar schüttelte heftig den Kopf. »Es geht nicht!«
Frauke spürte seine Eifersucht und sagte sich, dass sie etwas dagegen tun musste. Mit einem sanften Lächeln strich sie ihm über die Wange und küsste ihn dann. »Diese Ehe besteht nur zum Schein! Sie gilt nicht vor Gott und auch nicht vor der Welt außerhalb dieser Stadt. Dir gehöre ich und werde es auf ewig bleiben.«
Etwas leiser, damit die anderen es nicht hören konnten, setzte sie hinzu: »Ich werde diese Nacht in deinen Armen verbringen.«
Es gab nichts, was Lothar sich mehr ersehnte. Dennoch war er strikt gegen ihren Plan. »Ich will es nicht!«
»Vertraust du mir so wenig?«, fragte Frauke mit einer gewissen Schärfe. »Außerdem werden wir mit dir und Helm einen gemeinsamen Haushalt führen. Oder glaubst du, ich überlasse meinen Bruder deinen Kochkünsten?«
Helm und Silke mussten lachen. Auch Lothar entspannte sich wieder. Die Lösung gefiel ihm zwar nicht, und er sah Probleme voraus, doch zuvorderst galt es, Münster wieder unter die Herrschaft des Bischofs zu bringen. Wenn er einen gewissen Beitrag dazu leistete, konnte er sowohl von seinem Vater wie auch von Franz von Waldeck eine Belohnung fordern – und die würde Frauke sein.
Unterdessen zupfte Frauke ihre Schwester am Ärmel. »Wir müssen uns auch etwas für dich einfallen lassen! Vielleicht sollte Faustus sich auf den Erzvater Jakob berufen und uns beide heiraten, so wie dieser es mit Lea und Rahel tat!«
»Das wäre eine gute Idee«, stimmte Lothar ihr zu.
Silke schüttelte verschämt den Kopf. »Das geht nicht. Faustus würde damit den Zorn des Propheten auf sich laden. Als ich vorhin bei seiner Königin war, hat er mich auf dem Flur abgepasst und mich angewiesen, heute Nacht zu ihm zu kommen.«
»So ein Schwein! Er hat doch schon mehr als ein halbes Dutzend Beischläferinnen und macht sich jetzt auch noch an meine Schwester heran!« Helm ballte die Faust und drohte in Richtung des Domplatzes, an dessen Rand sich Bockelsons Residenz befand.
Was das Zusammenleben von Mann und Frau betraf, so machte Silke sich keine Illusionen. Ihre Mutter hatte dem Vater gehorchen müssen, und ihr eigener Gatte würde ebenfalls Gehorsam von ihr verlangen. Liebe gab es, wenn überhaupt, nur selten. Als Frau musste sie schon glücklich sein, wenn sie nicht zu oft geschlagen wurde und halbwegs mit ihrem Mann auskam. Da sie selbst keine Wahl hatte, aber auch nicht aus der Stadt fliehen wollte, war ihr der König der Wiedertäufer als Ehemann immer noch lieber als irgendein Knecht. Dies sagte sie den anderen auch.
Bei ihrer Schwester stieß sie auf Unverständnis. »Bockelson ist ein Totschläger und Menschenverführer. Willst du vielleicht von ihm schwanger werden?«
»Da er bereits so viele Weiber hat und sich gewiss noch mehr nehmen wird, wird er mich wohl nur selten beschlafen. Und wenn, gibt es immer noch Gott!«
3.
N achdem der Plan gefasst war, setzten die vier ihn umgehend in die Tat um. Noch am selben Tag erklärten Lotte und Helm sowie Frauke und Faustus vor einem Prediger, Mann und Frau sein zu wollen.
Die beiden angeblichen Ehepaare beschlossen, sich in Lothars Hütte einzurichten. Helm besorgte einige Bretter und zimmerte aus ihnen einen Anbau, um genug Platz für alle zu schaffen, und Frauke übernahm den Haushalt.
Lothar fragte sich, ob Frauke tatsächlich in der Nacht zu ihm kommen wollte. Doch sie lächelte nur verheißungsvoll.
Jetzt, da der Abend kurz bevorstand, verabschiedete sich Silke von den anderen. Obwohl Frauke sie davor gewarnt hatte, kehrte sie nicht in das Haus ihres Vaters zurück, sondern schlug den Weg zu Bockelsons Quartier ein.
Die anderen blieben mit einem Gefühl der Beklemmung in Lothars Hütte zurück. Zwar brachte Frauke trotz des allgemeinen Mangels ein schmackhaftes Abendessen auf den Tisch und nahm das Lob aller mit
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