Flammen im Sand
nicht.«
Sören zuckte mit den Schultern. »Ich kenne sie nur flüchtig. Ãber
Jannes Pedersen dagegen wurde schon immer viel geredet, und als seine Frau verschwand,
erst recht. Jeder hat es ihm gegönnt, anscheinend hatte keiner damit gerechnet,
das Elske tatsächlich den Mut aufbringt, ihn zu verlassen. Aber dann wieder
haben sich alle geärgert, dass er so leicht davongekommen ist.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Erik, während er neben der dunklen
Haustür der Tadsens nach der Klingel suchte.
»Dass sie keine Ansprüche gestellt hat. Aus lauter Angst vor ihm,
hieà es damals.« Sören nahm seinem Chef, der immer noch an der falschen Stelle
nach dem Klingelknopf suchte, das Läuten ab. »Nun wissen wir ja, dass es andere
Gründe gab.«
Wilko Tadsen öffnete die Haustür und sah die beiden Männer erstaunt
an. »Die Polizei? Habe ich was verbrochen?« Er lachte verlegen und gleichzeitig
wachsam. Wie so oft in solchen Situationen fragte sich Erik, warum die Polizei
selten als Freund und Helfer empfangen wurde, sondern bei jedem noch so
unbescholtenen Bürger zunächst für Angst sorgte.
»Wir suchen Yvonne Perrette«, sagte er besonders freundlich, um
Wilko Tadsen seine Sorge zu nehmen. »Ihre Schwester sagt, sie wäre bei Ihnen.«
»Sie war hier.« Wilko Tadsen blickte auf
seine Uhr. »Aber nur kurz.« Er trat ihnen einen winzigen Schritt entgegen, als
wollte er sie zurückdrängen. »Ist was mit Yvonne?«
Erik schüttelte den Kopf. »Nichts Wichtiges«, behauptete er. »Nur
eine Zeugenaussage. Die hat Zeit bis morgen.« Er tat so, als wollte er gehen,
dann drehte er sich noch einmal um. »Wissen Sie zufällig, ob Yvonne Perrette
noch was vorhatte, als sie Sie verlie�«
Wilko Tadsen zuckte mit den Schultern. »Nein, ich dachte, sie geht
wieder nach Hause.«
In diesem Moment öffnete sich eine Tür, und Marikke Tadsen rollte
auf den Flur. Prompt fiel Erik der Unfall ein, den Wilko Tadsen vor einigen
Jahren in der Nähe von Hamburg verschuldet hatte. Dabei war seine Frau so
schwer verletzt worden, dass sie seitdem im Rollstuhl saÃ.
»Guten Abend«, sagte Marikke. »Kommen Sie doch rein. Es ist kalt
drauÃen. Und der Wind dringt bis ins Wohnzimmer.«
Erik entschuldigte sich, während Wilko seiner Frau hastig erklärte,
dass die beiden Herren von der Polizei es eilig hätten. »Sie wollen nicht zu
uns, sondern zu Yvonne.«
Marikke nickte. »Sie war hier. Ich habe ihre Stimme gehört.« Sie
zeigte in die erste Etage. »Gesehen habe ich sie aber nicht. Meine
Physiotherapeutin war da.«
»Sie ist nur kurz geblieben«, sagte Wilko Tadsen, dann wurde sein
Blick nachdenklich. »Sie war irgendwie komisch«, sagte er schlieÃlich. »So
fahrig. Gar nicht richtig bei der Sache.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Erik.
»Sie ist eigentlich sehr pingelig«, erklärte Wilko. »Ich hatte mich
darauf eingestellt, dass sie Stunden braucht, um die passenden Fliesen
auszusuchen. Aber dann hat sie nur einen kurzen Blick auf die drei Muster
geworfen, hat sich für eins entschieden und ist wieder gegangen.«
»Was schlieÃen Sie daraus?«
Wilko Tadsen zuckte mit den Schultern. »Gar nichts! War nur â¦
ungewöhnlich.« Dann lachte er. »Nicht, dass ich mich beschweren will! Ich
wollte, alle Kundinnen wären so.«
Erik bedankte sich für die Auskünfte, entschuldigte sich noch einmal
für die Störung und versicherte ein letztes Mal, der Grund ihres Besuchs sei
eine Lappalie gewesen. Dann ging er mit Sören zum Auto zurück. Und er schaffte
es sogar einzusteigen, ohne einen einzigen Blick zu den Fenstern von Geraldine
Bertrands Wohnung zu werfen.
Mamma Carlotta stand am Wohnzimmerfenster und sah hinaus.
Die Nacht war schwarz, schmuddeliges Mondlicht wischte gelegentlich eine
Wolkenlücke frei, dann zeigte sich der Wind, der die Baumkronen hin und her
schlug und abgerissene Zweige jagte.
»Ich verstehe dich nicht, Enrico«, klagte sie und betrachtete
ärgerlich das Bild, das sich in der Fensterscheibe spiegelte.
Erik, der sich unbeobachtet glaubte, saà hinter ihr auf dem Sofa und
gähnte herzhaft. Ihn schien die Sorge seiner Schwiegermutter nicht zu berühren.
Wie konnte er nur so unbekümmert sein? Ein junges Mädchen in dieser eisigen
Nacht allein auf die StraÃe zu lassen, das war doch
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