Flammen im Sand
da!«, und legte auf.
Jannes Pedersen hatte seinen Namen nicht genannt, aber Mamma
Carlotta erkannte ihn trotzdem. Und Tove schien auf seinen Anruf gewartet zu
haben. Nur wenige Augenblicke später drehte sich ein Schlüssel in der Tür der Imbiss-Stube.
Jannes öffnete wortlos den Kofferraum seines Wagens und nahm zwei Pakete
heraus, von denen er eines Tove in die Hand drückte. Dann verschwanden beide in
Käptens Kajüte.
In Mamma Carlottas Kopf kreiste nur eine Frage: Was machte Jannes
Pedersen bei Tove Griess? Vorsichtig ging sie um die Imbiss-Stube herum,
nachdem Tove Griess und Jannes Pedersen in der Küche verschwunden waren. Früher
hatte es hinter Käptens Kajüte jede Menge Gerümpel gegeben, ausrangierte
Möbelstücke, leere Bierfässer, verklebte Ãlkanister und bündelweise Altpapier.
Nun aber standen nur ein paar Mülltonnen dort, einige Blumentöpfe und
Plastikstühle, die wohl im Sommer zum Einsatz kommen sollten. Alles andere, was
schon lange zum wertlosen Plunder gehört hatte, war verschwunden. Tove schien
wirklich ernst zu machen mit der Renovierung. Aber zum Glück gab es im Hof noch
keine Beleuchtung. So konnte Mamma Carlotta es wagen, zum Küchenfenster zu
schleichen und einen langen Hals zu machen. Sie sah die beiden Männer am Tisch
sitzen. Tove öffnete gerade mit selbstgefälligem Grinsen eine Flasche Rotwein.
Als er eingoss, erkannte sie, dass es der Rotwein aus Montepulciano war. Diese
Enttäuschung hätte beinahe ihre Neugier besiegt. Der Rotwein aus Montepulciano
war besonderen Gästen vorbehalten, das hatte Tove häufig zu ihr gesagt, und nun
schenkte er ihn Jannes Pedersen ein! Sie fragte ihren Stolz, ob sie unter
diesen Umständen überhaupt wissen wollte, in welche krummen Geschäfte Tove
verwickelt war. Der jedoch paktierte unverzüglich mit ihrer Neugier und wollte
von vorzeitigem Rückzug nichts wissen.
Also blieb sie, wo sie war. Sie wollte nun endlich herausfinden, wie
Tove zu Geld gekommen war. Dass Jannes Pedersen etwas damit zu tun hatte, stand
für sie auÃer Frage. Was mochte in den beiden Paketen sein, die sie achtlos auf
dem kalten Herd abgestellt hatten? Vielleicht diese langen, schlanken Päckchen,
die über die Theke gingen, wenn jemand eine doppelte Tote Tante bestellt hatte?
Doch die beiden Männer machten keine Anstalten, die Pakete zu
öffnen. Sie tranken das zweite und dritte Glas Rotwein, redeten leise, lachten
dafür umso lauter. Mamma Carlotta begann zu frieren. Erik behauptete zwar seit
ihrer Ankunft, sie habe Glück, der Februar sei ziemlich mild, aber sie spürte,
wie die Kälte vom Boden in ihre Sneakers stieg und ihre FüÃe umklammerte. Dann
kroch sie unter ihrer Hose, die sie bis dahin für ein wärmendes Kleidungsstück
gehalten hatte, an den Beinen hoch. Die Sorge begann sie zu quälen, dass sie
alles, was sie den Kindern jeden Morgen prophezeite, in dieser Nacht selbst
ereilen würde: Blasenentzündung, Ohrenschmerzen, Lungenentzündung. Zum Glück
war sie hinter Käptens Kajüte vor dem eisigen Wind geschützt, aber sie spürte
doch, dass sie es in dieser Kälte nicht mehr lange aushalten würde. Sie musste
aufgeben, kapitulieren. Die Kälte war stärker als Carlotta Capella!
Vorsichtig löste sie sich von der Hauswand und machte einen
zaghaften Schritt zurück. Ihre Beine waren steif gefroren, ihre FüÃe
unbeweglich geworden. Hatte sie so etwas jemals in Umbrien erlebt? Gefröstelt
hatte sie dort nach Sonnenuntergang auch schon, sogar gefroren, wenn im Winter
die Heizung nicht funktionierte, aber das war alles nichts gegen diese Kälte
auf Sylt. Lucia hatte oft davon berichtet, dass sie steif gefroren von einem
Spaziergang nach Hause gekommen war und erst durch einen heiÃen Tee oder ein
Getränk, das sie Grog nannte, wieder aufgetaut war.
Sie versuchte einen weiteren Schritt. Ihre Beine waren ohne Gefühl,
ihre FüÃe unfähig, sich so behutsam voranzubewegen, dass kein Geräusch
entstand. Prompt stieà sie an einen leeren Blumentopf, der ihr vorher nicht
aufgefallen war. Sie erschrak, geriet ins Straucheln, drohte zu stürzen ⦠und
hielt sich an dem fest, was ihr in die Hände kam. Es war die Rückenlehne eines
Plastikstuhls, der nachgab und mit einem rauen Quietschen an der Hauswand
entlangrutschte. Mamma Carlotta folgte der Schwerkraft und polterte dem Stuhl
hinterher. Zum
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