Flammen im Sand
Polizisten die Tür
öffnete. »Ist Yvonne etwas zugestoÃen?«, fragte sie besorgt.
Erik schüttelte den Kopf. »Wir kommen wegen Elske Pedersen.«
Marikke Tadsen fasste sich in Geduld, obwohl ihr anscheinend einige
Fragen auf den Lippen lagen. Aber sie bat Erik und Sören zunächst herein,
sorgte dafür, dass sie ihre Jacken ablegten, und rollte ihnen ins Wohnzimmer
voran.
Sie betraten einen düsteren Raum, der vermutlich in den
Sechzigerjahren sein Gesicht erhalten hatte. Dunkle Holzvertäfelungen kleideten
ihn aus, die massiven Schränke waren ebenfalls dunkel, aus braunem Velours die
Sitzmöbel.
Marikke Tadsen erschrak, als sie hörte, dass Elske Pedersens Leiche
gefunden worden war.
»Ob mir was an ihr aufgefallen ist?« Sie zupfte nervös die
Tischdecke zurecht. »Mein Gott! Ich habe sie noch insgeheim bewundert, weil sie
einen Weg gefunden hatte, aus ihrem Leben rauszukommen!« Dann erst richtete sie
den Blick auf Erik und beantwortete seine Frage. »Elske und ich, wir waren
keine wirklichen Freundinnen. Mir hat sie nichts anvertraut. Unsere Männer sind
befreundet, und wir waren Nachbarinnen. Das hat uns verbunden, aber keine Freundschaft.«
»Also ist Ihnen nichts aufgefallen an ihr? Keine Veränderungen, kurz
bevor sie verschwand?«
Marikke dachte nach. »Doch, in den Wochen vorher war sie anders als
sonst. Irgendwie ⦠freier, unbeschwerter. Nach ihrem Verschwinden dachte ich
mir, dass sie sich vermutlich schon befreit gefühlt hat, als sie den Entschluss
gefasst hatte, Jannes zu verlassen. Aber nun â¦Â« Sie sah Erik fragend an. »Sie
wollte ihn gar nicht verlassen?«
»Vielleicht wollte sie es und wurde daran gehindert«, antwortete
Erik. »Die Frage ist nur: von wem?«
»Das kann nur Jannes gewesen sein. Der ist dazu fähig.«
»Hatte er ein Motiv?«, fragte Erik.
»Sein Motiv ist immer Jähzorn. Wenn er wütend ist, ist er zu allem
fähig.«
»Was redest du da?«
Weder Erik noch Sören hatte gehört, dass Wilko Tadsen eingetreten
war. Die beiden standen auf, um ihn zu begrüÃen.
»Ich habe gerade erfahren, dass man Elske gefunden hat. Jannes hat
es mir erzählt!« Wilko setzte sich, dann ergänzte er: »Jannes kann es nicht
fassen. Er ist völlig fertig.«
Erik sah ihn zweifelnd an. »Als wir ihn verlieÃen, wirkte er nicht
besonders deprimiert.«
»Bei Jannes äuÃert sich das anders«, entgegnete Wilko. »Er wird
wütend, wenn er traurig ist. Auch wenn er verzweifelt ist, enttäuscht oder mit
den Nerven runter. Jannes ist nun mal so. Jeder konnte verstehen, dass Elske
sich heimlich davongemacht hat.«
»Sie ist nicht weit gekommen«, erinnerte Sören.
Wilko Tadsen nickte bekümmert. Während er versuchte, Verständnis für
seinen Freund zu wecken, kam Erik nicht umhin, ihn für seine Loyalität zu
bewundern.
Es gefiel ihm, dass Wilko zu seinem Freund stand, obwohl er seine
Gewalttätigkeit nicht guthieÃ. »Wir sind Blutsbrüder«, erklärte Wilko mit einem
schiefen Grinsen. »Wir haben uns als Kinder geschworen, immer zusammenzuhalten.
Egal, was passiert.«
Sören teilte Eriks Bewunderung nicht. »HeiÃt das, Sie trauen Ihrem
Freund zu, seine Frau ermordet zu haben?«
»Natürlich nicht«, erklärte Wilko mit groÃer Entschiedenheit. Er
fuhr sich durch die kurzen, lockigen Haare, als wüsste er nicht, ob er sich für
diese Antwort entschuldigen musste. »Jannes ist jähzornig«, begann er
vorsichtig, »manchmal weià er nicht, was er tut. Aber er hat Elske geliebt. Auf
seine Weise â¦Â«, fügte er an.
»Eine schöne Liebe ist das«, fiel Marikke ihm ins Wort.
Er schenkte ihr ein Lächeln, als habe sie etwas Wichtiges gesagt.
»Du hast ja recht. Ich darf mich nicht ständig vor Jannes stellen, am Ende
setze ich mich selbst damit ins Unrecht.«
»Was heiÃt das?«, fragte Erik. »Dass Sie Ihrem Freund zutrauen,
seine Frau erschlagen zu haben?«
Wilko Tadsen stand auf, machte ein paar Schritte hin und her. Erik
betrachtete seine schlanke, durchtrainierte Figur, den perfekten Sitz seiner
dunklen Jeans, das offene Hemd, dessen Ãrmel er aufgeschlagen hatte. Dann wanderte
sein Blick zu Marikke, die klein und unscheinbar in ihrem Rollstuhl saÃ. Wilko
schien tatsächlich ein Mann zu sein, der zu seinem Wort stand. Wenn er sich
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