Flammen im Sand
Erik
fragend an. »Oder meinen Sie, wir können ihr Jannes Pedersen als möglichen
Täter präsentieren?«
»Dem ist das zuzutrauen«, ging Mamma Carlotta dazwischen. »Madonna!
Dieser Mann kann einem wirklich Angst machen!«
Aber Erik nahm den Einwand seiner Schwiegermutter nicht zur
Kenntnis. »Was haben wir für Indizien? Er ist gewalttätig, ja. Er ist
kriminell, auch richtig. Und er ist jähzornig. Aber ist er deshalb verdächtig?
Und welches Motiv könnte er haben? Kränkung, weil seine Frau ihn verlassen
wollte? Besonders überzeugend ist das nicht.«
Sören nickte deprimiert. »Aber seine Lebensgefährtin ist nun
ebenfalls verschwunden«, versuchte er es noch einmal. »Auf die gleiche Weise!
Abgehauen bei Nacht und Nebel!«
»Sie sagen es: abgehauen! Nicht umgebracht!«
»Bis vor drei Tagen hat es auch geheiÃen, Elske sei abgehauen. Sie
hatte sogar einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
»Pedersen sagt aber, Yvonne habe alles Wichtige mitgenommen.«
»Wenn er sie umgebracht hat, würde ich das an seiner Stelle auch
behaupten.«
Erik sah zu, wie seine Schwiegermutter ihm das Rührei auf den Teller
häufte, ohne danach zu fragen, ob ihr das Rühren der Eier vielleicht zu viel
geworden sein könnte. Mamma Carlotta schöpfte Hoffnung. Vielleicht würde er sie
nun endlich wieder so behandeln wie immer.
»Er könnte sich gesagt haben: Was mit Elske geklappt hat, wird auch
mit Yvonne funktionieren.«
»Aber es hat nicht geklappt mit Elske.«
»Das wusste er noch nicht! Yvonne war schon weg, als er erfahren
hat, dass seine tote Frau gefunden worden ist.«
Mamma Carlotta hatte nun lange genug geschwiegen. »Warum versucht
ihr nicht, Yvonne zu finden?«, fragte sie. »Wenn sie noch lebt, muss sie
irgendwo sein.«
Erik liebte es zwar gar nicht, wenn seine Schwiegermutter sich in
seine Arbeit einmischte, aber da er sie schonen wollte, wies er sie nicht
darauf hin, sondern sagte zu Sören: »Wir sollten mit ihrer Schwester darüber
reden, wohin Yvonne sich gewandt haben könnte, als sie Sylt verlieÃ.«
»Vermutlich ist sie schon in Frankreich«, stöhnte Sören. »Das macht
die Sache nicht leichter.«
Erik schob den leeren Teller weg, dann fiel sein Blick auf das
Schneidebrettchen, das neben dem Herd stand. Darauf lag der gewürfelte
Schinken, der eigentlich kross gebraten werden sollte, ehe das Rührei in die
Pfanne kam. Wieder traf Mamma Carlotta ein besorgter Blick.
Ãrgerlich versuchte sie sich zu rechtfertigen. »Das kommt davon,
wenn du mich so verrückt machst mit deinem Gerede von meinem Kreislauf.«
Erik enthielt sich eines Kommentars und schenkte ihr nur ein
verständnisvolles Lächeln. Es war nicht auszuhalten! Er behandelte sie wie eine
alte, kranke Frau! Doch bevor sie ihm demonstrieren konnte, dass sie noch voll
auf der Höhe war, wandte Erik sich wieder an seinen Assistenten: »Die Staatsanwältin
wird uns auch fragen, ob wir was über die gestohlenen Uhren herausbekommen
haben.«
Mamma Carlotta, die sich gerade zu den beiden an den Tisch setzen
wollte, fuhr herum, packte den gewürfelten Schinken zur späteren Verwendung in
den Kühlschrank und kümmerte sich lange um die sorgfältige Reinigung der
Pfanne. Hauptsache, sie brauchte Erik nicht anzusehen! Nur gut, dass er sich
nicht für ihre Näharbeiten interessierte. In dem Nähkästchen, in dem Lucia die
Schneiderkreide, ihre MaÃbänder, die Fingerhüte und Nadelkissen aufbewahrte,
würde er die Uhr, die sie aus Käptens Kajüte mitgenommen hatte, niemals finden.
»Ihr Besuch ist privat«, erinnerte Sören. »Die Staatsanwältin kommt
zum Biikebrennen, weil sie hier Verwandte hat.«
Erik seufzte. Er schien sich nicht vorstellen zu können, dass ein
Besuch der Staatsanwältin auf der Insel ohne Folgen für das Kommissariat
Westerland bleiben konnte. Dann machte er Anstalten, sich zu erheben. »Kommen
Sie, Sören! Sorgen wir dafür, dass wir Frau Dr. Speck irgendwelche Ergebnisse präsentieren
können.« Er sah seine Schwiegermutter eindringlich an. »Und du passt auf deine
Gesundheit auf! Versprochen?«
Diese Aufforderung würdigte Mamma Carlotta keiner Antwort. Sieben
Kinder hatte sie zur Welt gebracht und aufgezogen und zwanzig Jahre ihren Mann
gepflegt â war sie während dieser Zeit jemals ermahnt worden, auf
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