Flammen im Sand
noch im Stich lassen. Es ist schon schrecklich genug
für sie, dass ihre Schwester einfach auf und davon ist.«
Carolin richtete sich auf. »Ja, ich weiÃ! Aber das Hemd schaffe ich
nicht ohne Hilfe.«
»Vielleicht ist die Nonna ja wirklich nur ein bisschen müde und
morgen schon wieder so fit wie eh und je.« Erik vergewisserte sich mit einem
Blick über die Schulter, dass sein Assistent ihm nicht gefolgt war. Dann erst
sagte er: »Sören freut sich schon sehr auf das neue Hemd.«
In diesem Moment ertönte Pedersens Stimme im Wintergarten.
»Versuch, Madame Bertrand zu helfen, Caro«, sagte Erik. »Sie hat es
jetzt nicht leicht. Und wer weià ⦠vielleicht überlegt Madame Perrette es sich
anders und kommt zurück. Oder es war alles nur ein Missverständnis. Sie ist
verreist und hat nur vergessen, eine Nachricht zu hinterlassen. Oder sie hat
eine hinterlassen, und die ist versehentlich im Papierkorb gelandet. Oder â¦Â«
»Das glaubst du doch selbst nicht, Papa!« Carolin sah Erik
vorwurfsvoll an, dann ergänzte sie flüsternd: »AuÃerdem hat Madame Bertrand
gesagt, Yvonne dürfe sich hier nicht mehr blicken lassen. Jannes Pedersen würde
sie eher umbringen, als sie wieder bei sich aufzunehmen.«
»Umbringen?« Erik warf einen beunruhigten Blick zur Tür, die in den
Laden führte. »Hat sie das wirklich gesagt?«
Carolin nickte. »Sie kennt ihn gut.«
Erik belieà es bei einer besänftigenden Geste, dann ging er Jannes
Pedersens aufgeregter Stimme entgegen.
Der Fahrradhändler stand breitbeinig im Raum, die Fäuste in die
Seiten gestemmt. Auf seinem Handrücken zuckte es, er zwang sich zur Ruhe, indem
er seinen Aufruhr zwischen den Fäusten zerdrückte.
Erik versuchte, die unterschwellige Aggression nicht zur Kenntnis zu
nehmen. Ruhig setzte er sich, nahm sich die Zeit, seine Cordhose an der nicht
vorhandenen Bügelfalte in die Höhe zu zupfen, straffte seinen Pullunder über
dem Bauch und strich ausgiebig seinen Schnauzer glatt. Tatsächlich erreichte er
auch hier, was er mit dieser Verzögerung immer bezweckte. Es kehrte Ruhe ein,
Pedersens Fäuste lösten sich, und er setzte sich ebenfalls.
»Erzählen Sie uns von dem Tag, an dem Ihre Frau verschwand«, bat
Erik so freundlich, wie er nur konnte.
»Das ist fünf Jahre her!«, brauste Pedersen prompt auf.
»Ich weië, entgegnete Erik und zwang sich zu einem kleinen Lächeln.
»Aber da dieser Tag Ihr Leben verändert hat, werden Sie sich sicherlich noch
gut an ihn erinnern können.«
Jannes Pedersen kapitulierte. Er lehnte sich zurück und sagte: »Es
war ein Tag wie jeder andere. Ich war auf dem Festland. Als ich am Abend
zurückkam, war Elske weg.«
Erik runzelte ärgerlich die Stirn. »Gehtâs ein bisschen genauer?
Wann haben Sie das Haus verlassen? Wie hat Ihre Frau sich verhalten, als Sie
sich von ihr verabschiedeten?«
Jannes Pedersen verdrehte die Augen, als wollte er Erik unbedingt
zeigen, wie lästig ihm die Fragen waren. »Ich war mit einem Freund verabredet.
In Ellund.«
»Name? Adresse?« Sören zückte sein Notizbuch.
»Sam Steiner«, gab Jannes zurück, dann zog ein Grinsen über sein
Gesicht. »Und die Adresse: Friedenshügel in Flensburg.«
»Das ist der Friedhof«, sagte Sören.
»Stimmt«, meinte Pedersen. »Sam lebt nicht mehr. In fünf Jahren
sterben eben viele weg. Sam hatâs vor zwei Jahren erwischt.«
»Wo wohnte er vor seinem Tod?«, fragte Sören.
»In der Haftanstalt Flensburg. Die Luft da scheint schlecht zu sein.
Vorher war er noch kerngesund.«
»Woher kannten Sie ihn?«, fragte Sören, gab aber die Antwort gleich
selbst: »Aus dem Knast? Wir wissen, dass Sie wegen Vergewaltigung gesessen
haben.«
»Was sollen diese Fragen?«, fuhr Petersen auf. »Glauben Sie mir etwa
nicht?«
»Das ist reine Routine«, versuchte Erik ihn zu beruhigen.
Aber so leicht war Pedersen nicht zu beruhigen. »Muss ich etwa ein
Alibi haben?«
Erik sah ihn ohne eine Regung an. »Haben Sie eins?«
»Ja!«, brüllte Pedersen. »Sam Steiner!«
»Der ist tot.«
Pedersen wollte wütend aufspringen, aber Erik schaffte es, ihn mit
einer Handbewegung zu besänftigen. »Wann sind Sie nach Hause gekommen nach
Ihrem Besuch in Ellund?«
Pedersen zuckte mit den Schultern.
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