Flammen im Sand
sich
allerdings mit einer Kurzfassung zufrieden, weil sie nicht wollte, dass der
Sohn sich für seinen Vater schämen musste.
»Vielleicht besuchen Sie ihn mal«, schlug Lürsen vor. »Wenn er sich
auch beim zweiten Besuch nicht mehr an den ersten erinnert, er wird sich jedes
Mal sehr freuen.«
»Ma certo! Das werde ich tun!« Mamma Carlotta war hocherfreut über
die Bitte, die an sie herangetragen worden war. »Ich arbeite zurzeit im
Modeatelier an der SteinmannstraÃe. Nur ein paar Häuser weiter!«
»Wie interessant«, antwortete Lürsen höflich.
Eine Viertelstunde später sah er so aus, als bereute er seine
Höflichkeit. Denn so lange dauerte es, bis Mamma Carlotta ihm berichtet hatte,
dass sie dort nicht nur als Schneiderin tätig war, sondern sogar mit der Mode
für die mollige und reife Dame über den Laufsteg gehen sollte. »Eigentlich«,
betonte sie. »Aber ob das jetzt noch was wird �«
Mamma Carlottas Sorge, dass der tragische Tod von Yvonne Perrette
sie um dieses Vergnügen bringen würde, weckte Stefan Lürsens Mitgefühl. Mit so
schönen Worten bedauerte er das Ende von Mamma Carlottas Karriere, noch ehe sie
begonnen hatte, dass er prompt eine persönliche Einladung zu der Modenschau
erhielt. »Wenn sie nach dem Todesfall überhaupt noch stattfindet.«
Der Abschied fiel herzlich aus, und als Mamma Carlotta in der Tür
stehen blieb und Stefan Lürsens Wagen nachsah, musste sie sich in aller
Deutlichkeit daran erinnern, dass Lürsen mit der Staatsanwältin verwandt war,
die Erik nicht leiden konnte, und auÃerdem ein düsteres Geheimnis hatte, das
ihn in Käptens Kajüte trieb. Grund genug, ihn nicht zu mögen. Dass sie das nur
nicht vergaÃ!
Erik sah häufig in den Rückspiegel, während er nach
Westerland fuhr. Geraldine war nun ganz ruhig. Sie starrte bewegungslos aus dem
Fenster, von ihrem Gesicht war keine Gefühlsregung abzulesen. Sie schwieg. Auf
eine belanglose Frage Eriks hatte sie nur genickt, und auf Sörens Versuche,
Konversation zu machen, reagierte sie nicht.
In der Norddörfer Halle hatte ihr Blick nervös geflattert, und sie
hatte ihm nicht ins Gesicht sehen wollen. An einem der langen Tische hatte sie
gesessen, und irgendjemand hatte einen Teller Grünkohl vor sie hingestellt,
weil es immer Menschen gab, die der Ansicht waren, dass mit einem guten Essen
alles leichter zu ertragen sei.
Erik verhinderte, dass Menno Koopmann sich an ihm vorbeidrängte, um
Fotos von Geraldine Bertrand zu machen. Zum Glück war auch die Staatsanwältin
der Ansicht, dass eine Kamera in dieser Situation nichts zu suchen hatte.
Schlimm genug, dass sie Menno Koopmann gestattet hatte, sie in die Norddörfer
Halle zu begleiten.
Geraldine stand auf, als Erik auf sie zukam. Er griff nach ihrem Arm
und drehte sie so, dass Koopmann nur ihren Rücken sehen konnte. Zum Glück waren
nur wenige Worte vonnöten, um das zu bestätigen, was sie befürchtete, seit das
Biikebrennen abgeblasen worden war.
Sie starrte Erik an, als wäre sie nicht traurig, sondern wütend.
»Nehmen Sie den Kerl fest! Hoffentlich ist er noch nicht über alle Berge!«
»Wen meinen Sie?«, fragte Erik, obwohl er genau wusste, von wem
Geraldine sprach.
»Jannes natürlich!«
Prompt trat Menno Koopmann einen Schritt vor. Erik wehrte ihn mit
einer kleinen Geste ab. »Wenn ich morgen im Inselblatt lese, dass der Täter
bekannt ist«, knurrte er Koopmann an, »dann können Sie was erleben.«
Er war auf einen scharfen Hinweis der Staatsanwältin gefasst, doch
Frau Dr. Speck
schien ausnahmsweise seiner Ansicht zu sein, schob Menno Koopmann zur Seite und
flüsterte ihm ein paar mahnende Worte zu.
Als Erik klar geworden war, dass er von Geraldine nichts erfahren
würde, was ihm bei seinen Ermittlungen half, bot er ihr an, sie nach Hause zu
bringen, denn sie war mit Wilko und Marikke Tadsen zum Biikefeuer gekommen, die
ohne sie heimgefahren waren. »Wilko ist zartbesaitet«, hatte Geraldine erklärt,
»der wollte nichts sehen und hören. Aber ich konnte nicht weg, ohne zu wissen, ob
es wirklich Yvonne ist â¦Â«
Als Erik den Wagen vor Zweirad Pedersen zum Stehen brachte, machte
sie zunächst keine Anstalten, sich abzuschnallen und auszusteigen. Erik nahm
an, dass sie Angst vor dem Abend hatte, der ihr bevorstand, und vor der Nacht,
in der sie die Gedanken
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