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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Entsetzen zu beschreiben, als sie die Hand unter den Biikezweigen gesehen
hatte, würde Frau Dr. Speck morgen vielleicht vergessen haben, dass Erik
zurzeit Besuch von seiner italienischen Schwiegermutter hatte.

Mamma Carlotta ärgerte sich. Darüber vergaß sie sogar für
Augenblicke das schreckliche Ende Yvonne Perrettes. War sie es nicht gewesen,
die die Leiche entdeckt hatte? War es nicht ihr zu verdanken, dass der Hund
wohlbehalten aus dem Biikefeuer herausgefunden hatte? Und gerade sie wurde nach
Hause geschickt, ehe die Leiche geborgen werden konnte!
    Kurz vorher hatte sie die Staatsanwältin noch angeschwärmt und sich
gefragt, warum Erik mit dieser beeindruckenden Frau nicht zurechtkam. Nun gab
sie ihm in allen Punkten recht! Jemand, der die wichtigste Person in einem
Mordfall – wenn man mal von der Leiche absah – wegschickte, besaß keinerlei
Taktgefühl! Mamma Carlotta hatte fest damit gerechnet, dass man sie um viele
Auskünfte bitten und dass es auf ihre Mutmaßungen ankommen würde. Stattdessen
hatte die Staatsanwältin zu ihrem Schwager gesagt: »Kannst du die Signora schon
mal nach Hause fahren, Stefan? Sie kann unmöglich zu Fuß gehen, und den
Hauptkommissar brauchen wir hier!«
    Ihre Fürsorglichkeit hatte Mamma Carlotta gar nicht gefallen. War
sie etwa eine alte Frau, der man nicht zumuten konnte, bei der Identifizierung
einer Leiche dabei zu sein? Schlimm genug, dass Erik sich so besorgt gab, seit
er sie schlafend auf dem Sofa erwischt hatte! Und nun auch noch diese Staatsanwältin!
Stefan Lürsens überschwänglicher Dank, weil Mamma Carlotta seinen Hund gerettet
hatte, konnte an ihrer Verärgerung nichts mehr ändern. Nur unter leisem Protest
war sie ihm gefolgt und hätte am liebsten wieder kehrtgemacht, als sie
Geraldine Bertrand in der Tür der Norddörfer Halle stehen sah. Die durfte in
der Nähe warten und Mamma Carlotta nicht? Unerhört!
    Das Einzige, was ihr dabei half, diesen Affront zu überwinden, war
die Aussicht, eine Viertelstunde mit Stefan Lürsen allein zu sein. Vielleicht
fand sie in dieser kurzen Zeit etwas heraus, was von Bedeutung war. Zum
Beispiel, ob Lürsen wirklich nur in Käptens Kajüte eingekehrt war, um eine doppelte
Tote Tante zu trinken. Sie würde sich beeilen müssen. Im Auto war der Weg von
der Norddörfer Halle zum Süder Wung schnell zurückgelegt.
    Alle einleitenden Höflichkeiten erledigte sie deshalb schon, bevor
sie in Lürsens Wagen einstieg. Wie nett es war, dass der Schwager der
Staatsanwältin sie nach Hause brachte! Wie reizend, dass er sich diese Umstände
machte! Und sein Auto, so elegant! Sogar mit Sitzheizung? »Madonna! Was es
alles gibt!«
    Als der Wagen vom Parkplatz der Norddörfer Halle rollte, überhörte
sie elegant Lürsens Frage, ob sie die Tote gekannt habe, und kam unverzüglich
zu der Bemerkung, die sie sich sorgfältig zurechtgelegt hatte: »Sehr schick,
Ihre Armbanduhr! Mein Schwiegersohn hat nächsten Sonntag Geburtstag, und ich möchte
ihm eine Uhr schenken. Können Sie mir diese Marke empfehlen?«
    Lürsen sah Mamma Carlotta verblüfft an. »Das ist eine Rolex.«
    Mamma Carlotta nickte, als hätte sie jede Menge Sachverstand. »Ich
habe gehört, dass man die auf Sylt billiger kriegen kann.«
    Sie war froh, dass die Ampel, die rechts nach Wenningstedt
hineinführte, grün war und Stefan Lürsen auf ein paar Radfahrer achten musste,
die geradeaus fahren wollten. So konnte er ihr nicht die Frage von den Augen
ablesen, die dort möglicherweise in Großbuchstaben geschrieben stand: Gehören
Sie zu denen, die bei Tove teure Uhren für wenig Geld kaufen?
    Als Stefan Lürsen antwortete, drehte sie sogar den Kopf zur Seite,
damit er ihr nicht ins Gesicht sehen konnte. »Sie scheinen Ihren Schwiegersohn
besonders gern zu haben, Signora, wenn Sie ihm eine Rolex zum Geburtstag schenken
wollen!« Er hielt seinen linken Arm hoch und ließ die Armbanduhr blitzen.
»Diese hier kriegen Sie nicht unter zwanzigtausend!«
    Hätte es nicht auch in Italien eine Währungsumstellung gegeben,
hätte Mamma Carlotta angenommen, es sei von Lire die Rede. Am liebsten wäre sie
herumgefahren, um in Lürsens Gesicht den Beweis zu suchen, dass er einen Scherz
mit ihr machte, und ihm zu sagen, dass mit einer Großmutter, die jedem Enkel
eine Armbanduhr zur Kommunion schenkte, nicht zu

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