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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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betrübter Stimme fort. »Sein Einfluss hätte genügt, zwei oder drei Minister mit auf unsere Seite zu ziehen. Aber da sein einziger Sohn bei diesem Anschlag ums Leben gekommen ist, ist es denkbar, dass er die Dinge jetzt anders sieht oder sich zumindest veranlasst fühlt, sich aus der Arena herauszuhalten.« Sie runzelte die Stirn. »Aber du hast gesagt, dass es noch schlimmer ist, als du angenommen hattest. Gibt es eine neue Entwicklung?«
    »Ja. Zwar ist die Sache, von der Jack gehört hat, wohl noch nicht spruchreif, aber er macht sich die größten Sorgen.« Charlotte konnte die beklemmende Angst in ihrer eigenen Stimme hören. »Die Polizei soll die Möglichkeit bekommen, Dienstboten ohne Wissen oder Erlaubnis ihrer Herrschaft zu befragen.«
    Vespasia erstarrte. »Und wonach?«
    »Nach allem Möglichen. Niemand würde je etwas davon erfahren, da das insgeheim geschehen würde.« Charlotte sah sie aufmerksam an und erkannte, wie sich allmählich auf Vespasias Zügen abzeichnete, dass sie die Tragweite des Vorhabens erfasst hatte.
    »So ein Gesetz hätte doch nie im Leben Aussichten durchzukommen?« Vespasia stieß die Luft langsam aus. »Das wäre geradezu ein Freibrief für Erpressung. Es würde …« Sie sprach nicht weiter. »Vermutlich steckt dahinter nichts weiter als die nackte Angst von Leuten, die sich nicht überlegt haben, welche Folgen das haben würde.« Sie wirkte mit einem Mal müde. »Manchmal kann man sich angesichts der Dummheit der Menschen nur an den Kopf fassen. Jeder, der mit Dienstboten zu tun hat, weiß, dass sie genauso sind wie alle anderen Menschen auch – es gibt gute, schlechte und solche, die weder das eine noch das andere sind. Wie wir alle haben sie ihre Leidenschaften und Eifersüchteleien, sind habgierig und ehrgeizig. Auch kann man sie in seinem eigenen Sinne beeinflussen, genauso, wie sie es bisweilen umgekehrt tun. Manche reden der Herrschaft nach dem Mund, um
ihr zu Gefallen zu sein, andere nutzen jede Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder einen Konkurrenten auszustechen.«
    »Vielleicht können die Ehefrauen der Abgeordneten ihre Männer davon überzeugen, dass ein solches Gesetz eine ausgemachte Dummheit wäre?«, fragte Charlotte, ohne so recht daran zu glauben. »Ist es nicht sonderbar, was manche Leute tun, wenn sie Angst haben? Aber soweit ich weiß, haben wir einen Verbündeten.«
    »Wer soll das sein?«
    Trotz der Wärme des vom Sonnenlicht erfüllten Raumes überlief es Charlotte kalt, als sie sagte: »Charles Voisey.«
    Mit hochgerecktem Kinn saß Vespasia reglos da. Sie schien in weite Fernen zu blicken. »Aha. Ich frage mich, ob er das aus Liebe zur Freiheit des Bürgers tut oder aus Hass auf die Polizei, die sich für ihn in Hauptkommissar Wetron verkörpert.«
    »Bestimmt aus Hass auf Wetron«, gab Charlotte sogleich zurück. »Aber nicht das macht mir Sorge«, erklärte sie, »sondern dass Thomas in die Sache verwickelt ist und damit auf derselben Seite wie Voisey steht. Er hat mir nur sehr wenig darüber gesagt – offen gestanden weicht er mir seit neuestem aus, was ihm überhaupt nicht ähnlich sieht. Ich habe zufällig durch Jack davon erfahren, sonst wüsste ich nicht, in welchem Lager Voisey steht. Ich vergehe vor Angst um Thomas. Ich weiß nicht, ob ihm klar ist, wie sehr Voisey von Hass zerfressen wird.« Sie biss sich auf die Lippe, weil sie den Eindruck hatte, Pitt in gewisser Weise zu verraten, indem sie so offen über die Sache sprach. Sofern sie es aber nicht tat, konnte sie Vespasia auch nicht um Hilfe bitten. Das wiederum war möglicherweise das Einzige, was Pitt vor einer Katastrophe bewahren konnte.
    Vespasia nickte bedächtig.
    »Ich kenne Menschen wie Voisey«, fuhr Charlotte fort. »Thomas nicht. Seiner Überzeugung nach muss ein Herr aus der feinen Gesellschaft automatisch gewisse Tugenden besitzen und würde sich nie im Leben zu bestimmten niedrigen Verhaltensweisen herablassen.
So aber verhält es sich nicht.« Verzweifelt sah sie zu Vespasia hin, die aufmerksam zuhörte. »In seiner Großmut neigt er dazu, in anderen das Gute zu sehen. Ihm ist Hass fremd – jedenfalls die Art von unerbittlichem, die ich in Voiseys Augen gesehen habe, als ihm die Königin den Adelstitel verliehen hat. Der Mann würde alles auf der Welt darum geben, sich dafür an uns rächen zu können.«
    Vespasia stieß einen leisen Seufzer aus. »Ich nehme an, dass du keine Vorstellung hast, was Thomas zu tun gedenkt, um Voisey mit in die Sache

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