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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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angetrieben, nahm, was er bekommen konnte. Damit einem dies Leben nicht früher oder später das Genick brach, musste man stark und geschickt sein, oder man musste Glück haben.
    Keine dieser Erwägungen hemmte im Geringsten seine Entschlossenheit, Taschen-Jones aufzuspüren und festzunehmen, nur verschaffte ihm diese Aufgabe nicht die geringste Befriedigung.
    Im Verlauf des Abends suchte er jedes Wirtshaus auf, das im Umkreis von drei Kilometern ums Dirty Dick und das Ten Bells lag, machte sich mit den kürzesten Wegen zwischen ihnen allen vertraut und beobachtete das Verhalten der Wirte.

    Am nächsten Tag erteilte er seinen Mitarbeitern Aufträge, die sie den ganzen Nachmittag beschäftigen würden, und fand sich zur Mittagszeit erneut im Wirtshaus Ten Bells ein. Da es der Tag war, an dem Pitts Worten zufolge Jones kommen würde, um sein Geld zu holen, setzte er sich mit einem Krug Dünnbier und einem Rindfleisch-Sandwich in die Nähe der Tür, sodass er sehen konnte, wer hereinkam.
    Vorsichtshalber war er früh gekommen. Nach halbstündigem Warten kam ein Mann, der durch seine lange Nase und seine ungepflegten Haare auffiel. Er bestellte ein Glas Dünnbier und eine heiße Pastete, wobei er ein wenig mit der Bedienung tändelte. Den Mann, der nach ihm eintrat, hätte er fast übersehen. Die Augen in seinem spitzen Gesicht huschten hin und her, und er trug seinen Mantel offen, sodass er ihm beim Gehen um die Beine schlug. Das Gesicht der Wirtin wurde mit einem Mal ausdruckslos. Ohne dass er den Mund auftun musste, goss sie ihm ein Glas Wacholderschnaps ein und reichte es ihm. Er nahm es, stürzte es mit einer raschen Bewegung hinunter und setzte es auf die Theke, wie es aussah, ohne zu bezahlen.
    Tellman leerte seinen Krug und stand auf. Die Wirtin hielt dem Mann mit dem Mantel die offene Hand hin.
    Dieser nahm ein Geldstück aus der Tasche und gab es ihr. Tellman kam sich töricht vor. Er würde sich wieder setzen müssen. Das war wohl doch nicht Jones.
    Andererseits schien sich die Wirtin unbehaglich zu fühlen. Während sie Tellman, der dort völlig unbekannt war, mit einem Lächeln begrüßt hatte, war ihr Gesicht beim Anblick des Mannes merkwürdig leblos geworden. Jetzt trat sie an die Geldschublade, als ob sie nach Wechselgeld suche, und nahm dann mit einer raschen Bewegung etwas aus einem der Fächer, das wie ein kleines Bündel aussah. Sie schloss die Schublade, wandte sich um und gab es dem Mann. Er nahm das Bündel mit einigen Worten entgegen, die Tellman nicht hören konnte, und verstaute es sorgfältig in einer seiner Innentaschen. Das Schutzgeld war übergeben worden, doch ein weniger aufmerksamer Beobachter hätte darin ein ganz normales Herausgeben von Wechselgeld gesehen.
    Jones war damit fertig und ging. Tellman folgte ihm auf die Straße, hielt sich aber in größerer Entfernung. Da er wusste, wohin der Mann als Nächstes gehen würde, ließ er ihn sogar außer Sichtweite geraten. Seine einzige Sorge war, dass Jones das Geld vielleicht nicht am selben Tag an seine Hintermänner weitergeben würde. Nach wie vor wusste er nicht, wo er ihn finden konnte, außer in der kommenden Woche an denselben Orten wie jetzt. Doch unmöglich konnte Pitt weitere sieben Tage warten.
    Noch um kurz vor sechs Uhr hatte Jones das Geld niemandem übergeben und war auch in kein Haus gegangen, von dem man hätte annehmen können, dass er dort wohnte.
    Schließlich suchte er ein Wirtshaus in Bethnal Green auf und bestellte etwas zu essen. Als Tellman sah, wie ihm die Bedienung das Verlangte brachte, ohne dass er bezahlte, schloss er, dass Jones auch dort Schutzgeld erpresste. Dann aber lachte die Frau. Sie schien in keiner Weise ärgerlich, ging gelöst mit leicht schwingenden Hüften. Sie wirkte selbstsicher, schäkerte ein wenig mit anderen Gästen und zwinkerte ihnen zu. Sie machte einen
Scherz, ein breitschultriger Mann machte seinerseits einen, und sie tat so, als sei sie darüber entrüstet. Lautes Gelächter ertönte, in das auch Jones einstimmte.
    Die Frau kehrte an den Tresen zurück, notierte sich etwas auf einem Blatt Papier und legte es in die Schublade.
    Jones schien dort Stammgast zu sein. Diese Wirtin erpresste er nicht; sie schrieb an, was er verzehrte. Das konnte nur heißen, dass er regelmäßig dort aß. Wahrscheinlich wohnte er ganz in der Nähe.
    Endlich wusste Tellman, wo er den Mann erforderlichenfalls finden konnte. Er verließ das Wirtshaus mit federnden Schritten. Zwar hatte er Hunger, doch

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